außerordentlich schwer. Es konnte jeder Tag einen störenden Zwi-
schenfall bringen, irgendein Heißsporn vorprellen und die alten
Gegensätze verschärfen oder gar von oben ein Donnerwetter dazwi-
schenfahren und Verwirrung stiften.
Und das Zentrum? Ja, wenn es möglich gewesen wäre, von
ihm wohlwollende Neutralität zu erlangen! ODazu ließ es die tiefe
Verstimmung gegen die Person des Kanzlers so bald nicht
kommen. Nachdem das Zentrum ein Jahrzehnt lang die Regierung
bei allen wichtigen Gesetzen unterstützt hatte, fühlte es sich durch
die überraschende Eile bei der Auflösung des Reichstags — sie
wurde schon nach der zweiten Lesung des Nachtrags für Südwest-
afrika vorgenommen, während die Zentrumsführer noch mit einer
Verständigung in dritter Lesung gerechnet hatten — schwer verletzt.
Der Kanzler dachte natürlich nicht an eine dauernde Ausschaltung
einer so großen Partei und hat später wiederholt im NReichstage
erklärt, daß ihm die Unterstützung jeder Partei willkommen sei. Einer
allmählichen Milderung des Mißwollens im Zentrum gegen die
Person des Fürsten Bülow stand besonders ein unglückliches Wort
entgegen, das er unmittelbar nach den Stichwahlen zu einem ame-
rikanischen Journalisten gesprochen hatte. In einer Antwort auf
die Frage, ob der Sieg der nationalen Parteien die deutsche Negie-
rung zu einer aggressiven auswärtigen Politik veranlassen werde,
hieß es: „Man irrt sich sehr, wenn man die nationale Stimmung
bei den Wahlen für nationalistisch oder chauvinistisch hält. Der
Reichstag ist gewählt gegen die antinationale Arroganz einer wider-
natürlichen Parteikonstellation. Diese Arroganz hat das nationale
Empfinden des Volkes empört.“ Der Abg. Spahn wies den Vor-
wurf in einer der ersten Sitzungen des neuen Reichstags sehr spitz mit
der Bemerkung zurück, daß der Fürst dieser „arroganten“ Politik
bioher seine bedeutendsten Erfolge zu verdanken gehabt habe. Außer-
dem unterließen es die Zentrumsabgeordneten, ihre Karten im Kanz-
lerhaus abzugeben, was bedeutete, daß sie nicht mehr eingeladen
zu werden wünschten und es vorzogen, in feindlicher Zurückhaltung
zu warten, bis ihre Zeit wieder gekommen sei.
Die Frühjahrstagung war kurz und galt vor allem neben
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