Full text: Um den Kaiser.

dagegen, daß Kiderlen den Botschafterposien in Konstantinopel 
bekomme, wenn dieser einmal frei werde. Der Kandidat des Kai- 
sers war von vornherein Herr v. Schön. Mit allerlei gesellschaft- 
lichen Talenten ausgerüstet, der Rede genügend mächtig, ohne über- 
triebenen Ehrgeiz, im Verkehr mit dem Kaiser frei und offen, ist 
er als Staatssekretär immer sowohl mit dem Reichstag wie mit dem 
Kaiser gut ausgekommen. Als er zur Zeit der bosnischen Krisis 
erkrankte, setzte es der Kanzler durch, daß Kiderlen als besonderer 
Kenner der Balkanangelegenheiten zur Vertretung Schöns ins Amt 
berufen wurde. Der Kaiser überwand seine persönliche Abneigung, 
und infolgedessen wurde Kiderlen später, nach Schöns Versetzung 
nach Paris, doch noch Staatssekretär des Auswärtigen Amtes. 
In den letzten Jahren der Kanzlerschaft des Fürsten Bülow 
wiederholten sich in Presse und Reichstag die Klagen über Mängel 
unserer Diplomatie und des inneren Dienstes im Auswärtigen 
Amt, für die der aufgeklärte und vorurteilslose Kanzler volles Ver- 
ständnis hatte. In einem Brief aus Norderney vom Sommer 1907 
schrieb er, die politische Abteilung mit ihren fünf vortragenden Räten 
sei überlastet, es müßten mehr Stellen angefordert werden, ob nicht 
in der handelspolitischen und der Rechtsabteilung oder in den Kon- 
sulaten brauchbare Kräfte für die politische Abteilung und die diplo- 
matischen Außenposten zu finden wären, die Hauptstützen des Für- 
sten Bismarck: Bucher, Abeken, N. Lindau, Kayser, Busch seien 
doch auch keine zünftigen Diplomaten gewesen. In meiner Antwort 
wies ich darauf hin, daß Politik, Handel, Recht und Presse getrennt 
nebeneinander bearbeitet würden, statt nach dem Regionalsystem 
eng verbunden zu sein, zur Entlastung des Staatosekretär#s seien 
zwei Unterstaatssekretäre nötig, von denen der eine hauptsächlich 
den Verkehr mit dem Reichstage zu übernehmen hätte. Daß für 
den innere und äußere Politik umfassenden Pressedienst ein vor- 
tragender Rat mit drei Hilfsarbeitern und zwei Epedienten ganz 
unzureichend und eine viel größere Organisation nötig war, stand 
schon lange fest. Herr v. Schön sah die bestehenden Mängel wohl, 
brachte es aber in der kurzen Zeit seiner Leitung des Amtes nur zu 
neuen Vorschriften für die Ausbildung der jungen Diplomaten, um 
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