einen besseren Nachwuchs zu erzielen. Herr v. Kiderlen war ganz
Mann der alten Schule, überhaupt Gegner einschneidender Neuerun-
gen, hätte am liebsten alles allein gemacht und wäre besonders bei
seiner Unterschätzung der wirtschaftlichen Angelegenheiten für ein
enges Zusammenarbeiten der politischen Referenten mit denen der
Handelsabteilung nicht zu haben gewesen. —
Die auswärtige Politik des Fürsten Bülow blieb weiter von
dem Gedanken beherrscht, zu einem besseren Verständnis mit England
zu gelangen. Die Aufgabe war im allgemeinen dadurch erschwert,
daß das Mißtrauen gegen seine Person in der englischen Offent=
lichkeit andauerte. Die erste sachliche Schwierigkeit entstand daraus,
daß die englische Regierung auf die russische Einladung zu einer
neuen internationalen Friedenskonferenz den Vorschlag machte, im
Haag auch die Frage der Abrüstung aufs Tapet zu bringen. Der
Botschafter Graf Metternich riet in Hinblick auf mögliche neue
Verdächtigungen in der englischen Presse, einer Erörterung der kri-
tischen Frage nicht auszuweichen. Fürst Bülow zog es vor, die „Par-
tei der ehrlichen Leute“ zu ergreifen, und es glückte ihm, mit einer
freimütigen, den deutschen Standpunkt darlegenden Reichstagorede
einen überraschenden Erfolg in England zu erzielen. Bei dem Lobe
der unionistischen Blätter mochten Parteitendenzen gegen das liberale
Kabinett mitsprechen, dessen Abrüstungsvorschlag als unpraktisch
und den fortgesetzten englischen Seerüstungen widersprechend be-
kämpft wurde. Aber auch die liberale Presse hob die Würde und
Ehrlichkeit der Reichstagsdebatte hervor. Da auch Rußland und
Osterreich-Ungarn die Abrüstungsfrage für noch nicht genügend ge-
klärt erachteten, schied sie aus der materiellen Debatte auf der
Konferenz selbst aus, es kam nur zu einem auch von dem deutschen
Vertreter, Frhr. v. Marschall, gutgeheißenen Beschluß, der den auf
der ersten Haager Konferenz beschlossenen Wunsch, daß die Re-
gierungen die Abrüstungofrage prüfen möchten, wiederholte.
Ein weiteres Hindernis für die Bemühungen des Kanzlers
nach der englischen Seite bestand darin, daß trotz Algeciras die
marokkanische Frage nicht zur Ruhe kommen wollte. Die eng-
lischen Staatsmänner, namentlich Sir Edward Grey, hatten zu wie-
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