die Finanzverwaltung, unter internationale Aufsicht gestellt werden
sollte, ein Vorschlag, der auf die Muselmanen ebenso aufreizend
wirken mußte wie die vorher von England ausgegangene Anregung,
Mazedonien einem christlichen Gouverneur zu unterstellen. Das
geheime „Ottomanische Komitee für Einigkeit und Fortschritt“ trat
nun offen mit der Forderung auf den Kampfplatz, in Konstantinopel
eine freiheitliche Verfassung zu errichten und gegen die fortgesetzten
fremden Einmischungen das türkische Nationalitätsprinzip durch-
zuführen. Von Monastir dehnte sich die jungtürkische Bewegung
in großer Schnelligkeit bis nach den levantischen Küsten aus und
erfaßte namentlich auch das Heer. Die neue Verfassung, eine
Wiederholung der 1876 aufgehobenen, wurde in Konsiantinopel
mit Jubel begrüßt. Schon am 8. August schlug eine russische Note
an alle Mächte vor, infolge des in Konstantinopel eingetretenen Um-
schwungs die Reformaktion in Mazedonien bis auf weiteres ein-
zustellen.
Während die russische Politik einen Schritt zurück tat, wirkte
in Wien die in Reval vereinbarte russisch-englische Balkanentente so
stark nach, daß man sich angesichto der fortgesetzten intensiven groß-
serbischen Agitationen in Bosnien, der Herzegowina und im Banat
zu verschärftem Handeln entschloß. Dem Baron Aehrenthal, in dem
sich der feudale Ubermut der alten österreichisehen Zeit verkörperte,
genügte der Bau der Sandschakbahn nicht mehr, eine neue Be-
festigung der wohlerworbenen Rechte Osterreichs gegen die serbischen
Wühlereien sollte in Gestalt der förmlichen Einverleibung Bos-
niens und der Herzegowina, die der Berliner Vertrag OÖsterreich
nur zu Besitz und Verwaltung überlassen hatte, errichtet werden.
Ihm dabei Rat anzubieten, empfahl sich nicht, denn die alte öster-
reichische Zeit war auch sehr empfindlich. Außerdem hatte die
bündnistreue Haltung des Kaisers Franz Joseph gegenüber eng-
lischen Verlockungoversuchen die deutsche Politik zu Gegendiensten
verpflichtet, wie diese denn überhaupt durch ihr gesteigertes eigenes
Interesse am nahen Orient genötigt war, die von Bismarck über-
kommene, in Balkanangelegenheiten nur vermittelnde Haltung auf-
zugeben.
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