Full text: Um den Kaiser.

In der Reichstagssitzung vom 10. November 1908 stan- 
den Anfragen aller Fraktionen, mit Ausnahme des Zentrums und der 
Polen, über die Enthüllungen des Daily Telegraph auf der Tages- 
ordnung. Haus und Tribünen waren aufs höchste gespannt, wie 
sich der Kanzler aus der schwierigsten aller parlamentarischen Lagen 
herausziehen würde. Der Zank unter den Parteien war verstummt. 
Zuerst sprach Bassermann sachlich, würdig, ohne übertriebenes 
Pathos, dann Wiemer, dann Singer, der die Begleiterscheinung 
des persönlichen Regiments, den Byzantinismus, für mitschuldig 
erklärte, dann Herr v. Heydebrand und Fürst Hatzfeld, Träger eines 
der vier höchsten Hofämter, beide mit der Aufforderung zu einheit- 
licher Verständigung und zur Bewahrung des Vertrauens in schwe- 
ren Stunden. Endlich erhob sich Fürst Bülow. Mit einer forschen 
Attacke durfte er bei dem düsieren Ernste im Hause und der leiden- 
schaftlichen Erregung im Lande nicht kommen. Aus dem aus- 
gearbeiteten Feldzugsplan wurden „Aphorismen“ über Kriegofüh- 
rung, die Japaner erhielten die Versicherung, daß die Ausdrücke 
über den Stillen Ozean zu stark gewählt wären und niemand an 
Angriff dächte, dem Kaiser galt die Mahnung, auch in Privat- 
gesprächen Zurückhaltung zu beobachten, sonst könnte weder der 
gegenwärtige noch ein künftiger Kanzler für eine einheitliche Poli- 
tik und für die Autorität der Krone gutstehen, an den bei Behand- 
lung des Manuskripts vorgekommenen Fehlern trage er keine Schuld, 
übernehme aber die ganze Verantwortung. Die Rechte war zu- 
frieden, das Zentrum schwieg, auf der Linken war Murren. Den 
Beschluß des Tages machte der Frhr. v. Hertling. Ihm schienen 
geschriebene Garantien für die Zukunft weniger wichtig, als eine 
Anderung des Verhältnisses von Person zu Person. 
Anm 11. November konnte sich die Debatte nicht auf der Höhe 
des vorangegangenen Tages halten. Das isi gewöhnlich so, wenn 
mehrere Garnituren und auch die kleinen Fraktionen zu Worte 
kommen sollen. Aber immer noch taten sich zwei Abgeordnete her- 
vor: der Volksparteiler Haußmann und Wolfgang Heine, der 
ernstesten und gediegensten einer unter den Sozialisten. Jener mit 
dem ingrimmigen Wort: „Der Mund, der einmal sagte: Schwarz= 
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