Full text: Um den Kaiser.

Daß der Kaiser selbst mit den „Kaiserlichen“ sympathisierte, 
läßt sich nicht bestreiten. Noch am 25. September 1909 behauptete 
die Kreuzzeitung im Sinne des Kaisers, daß sich Bülow in der Be- 
urteilung des politischen Erfolges des Daily Telegraph-Artikels 
völlig geirrt und dann, als er die heillose Wirkung sah, d. b. um 
nicht als politischer Trottel dazustehen, lieber sich selbst und seine 
Behörde einer Pflichtverletzung beschuldigt habe, eine Lesart, die bald 
aus guten Gründen im Interesse des Kaisers von der Kreuzzcitung 
fallen gelassen wurde. 
Um den Gerüchten ein Ende zu machen und zwischen sich und 
dem Kaiser Klarheit zu schaffen, führte Fürst Bülow eine Aus- 
sprache am 11. März 1909 herbei. Sie dauerte über anderthalb 
Stunden. Uber ihren Verlauf ist mir folgendes im Gedächtnis ge- 
blieben: Bülow sprach wie ein älterer Freund. Der Kaiser möge 
ihn gehen lassen, wenn er glaube, daß der Kanzler im November 
nicht seine Schuldigkeit gegen Krone und Land getan habe. Möglich, 
daß von ihm sonstwie Fehler gemacht worden seien. Der Kalser er- 
widerte: Er wünsche keine Trennung, die Geschichte mit dem Manu- 
skript habe er verziehen, aber er hätte im November besser vertei- 
digt werden müssen; er habe doch seinerzeit alles über seine englischen 
Gespräche brieflich mitgeteilt, und Bülow habe ihm brieflich zuge- 
stimmt und gedankt. Der Kanzler bestritt das und bat um den Brief, 
worauf der Kaiser sagte, es sei auch mündlich nach seiner Rückkehr 
aus England geschehen. Bülow erinnerte dann daran, daß der 
Kaiser doch schon früher in Reden und Handlungen unvorsichtig ge- 
wesen sei, z. B. mit der Swinemünder Depesche und in der Lippe- 
schen Thronfolgefrage. Der Kaiser wollte sich auf die Depesche an 
den Prinzregenten Luitpold (mit dem Angebot von loo Mark 
an Stelle eines von der bayerischen Zentrumspartei verweigerten 
herrn von Higheliffe von Berlin aus zugestutzt worden, Harold Spender hätte in 
meinem Auftrage die letzte Redaktion besorgt, wir hätten das Interview, unser 
Werk, noch nach seinem Erscheinen für eine gelungene Aktion gehalten, kurz ein 
politischer Kriminalreman, wie Martin selbst richtig sagt. Den „Kaiserlichen“ 
schien es zu gehen wie Verschwörern, die, fahndend mit dem Henkersschwert, 
von ihrem eigenen Schatten genarrt werden. 
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