Full text: Handbuch der Politik. Erster Band. (1)

136 Wilhelm van Calker, Die staatlichen Herrschaftsformen. 
  
IV. Die Zweiteilung Machiavellis ist die einzige Unterscheidung der Staatsformen, welche 
auf einer einfachen, der juristischen Betrachtung zugänglichen Einteilungsmethode beruht und 
somit jede Vermengung verschiedenartiger Einteilungsreihen, namentlich aber jedes Werturteil 
über die einzelnen Staatsformen vermeidet. So wertvoll daher in wissenschaftlicher Be- 
ziehung eine Betrachtung der Staaten nach anderen Gesichtspunkten, wie namentlich nach 
der von Richard Sehmidt vorgeschlagenen Methode®), ist, so empfiehlt es sich doch an 
dieser Stelle, bei jener Zweiteilung zu bleiben und erst in Unterordnung unter dieses 
Prinzip anderen Einteilungsgründen Rechnung zu tragen.2) Dem Ausdrucke nach weiche 
ich hiebei indessen von den Anhängern der Zweiteilung®) insofern ab, als ich der Monarchie 
nicht die „Republik“, sondern die „Pleonarchic“ gegenüberstelle.?) Die im Anschlusse an 
Machiavelli in der staatsrechtlichen Literatur üblich gewordene Gleichstellung der Ausdrücke 
Republik und Mehrherrschaft entspricht m. E. nicht dem allgemeinen deutschen Sprachgebrauch. 
Der allgemeine Sprachgebrauch“) versteht unter Republik schlechthin die „Volksherrschaft“ im 
Gegensatze zur „Einherrschaft“, zur „Monarchie“. Nun ist aber „Volksherrschaft“ nicht der 
einzige mögliche Gegensatz zur Monarchie. Vor allem ist die Aristokratie, die doch nach der 
Lehre Machiavelli's und deren Anhänger unter die Republik zu subsüumieren ist, nicht not- 
wendig Volksherrschaft. Deckt sich der Kreis der „Aristokraten® mit dem Kreise der 
Vollbürger, wie im alten Sparta, so mag man wohl einmal Aristokratie und Demokratie iden- 
tifizieren, grundsätzlich aber sind diese beiden Herrschaftsformen nur Unterarten des Ober- 
begriffes „Mehrherrschaft“. Besonders deutlich wird die Notwendigkeit der begrifflichen 
Auseinanderhaltung von Republik und Mehrherrschaft bei der Betrachtung von Staatenver- 
bindungen. Unter welche Herrschaftsform soll beispielsweise das Deutsche Reich subsumiert 
werden? Träger der Reichsgewalt ist die Gesamtheit der verbündeten deutschen Fürsten 
und der Senate der freien Städte. Sollen wir dieses Kollegium als dAjuos und demgemäss 
das Deutsche Reich als Demokratie oder als Republik bezeichnen? Sollte es wirklich, wie 
Jellinek*) annimmt, nur die „Scheu vor einem Worte" sein, welehe Zorn, Gareis, 
G. Meyer, Geffcken u. A. daran hindert, das Deutsche Reich nach dem Vorbilde 
Jellineks unter den Typus der Republik zu stellen? Ich schätze die Versuche, das 
Deutsche Reich als Pleonokratie oder als Aristokratie oder auch als Oligarchie zu erklären, 
höher ein. Es ist richtig: „Pleonokratie“ ist nichts anderes als „ein neues Wort für eine alte 
Sache“. Aber ist der Vorwurf so schlimm? Ist es nicht schlimmer, ein altes, früher zur 
Bezeichnung jedes staatlichen Gemeinwesens dienendes Wort, wie das Wort „Republik“, 
nun für eine neue Sache, nämlich zur Bezeichnung einer ganz bestimmten Unterart von 
Staatswesen zu benützen? Die Ausdrücke Pleonokratie und Pleonarchie geben nicht mehr 
aber auch nicht weniger als eine richtige, eindeutige Übersetzung des Ausdruckes Mehr- 
herrschaft im Gegensatze zur Einherrschaft; der Ausdruck Republik dagegen wurde — 
selbst wenn wir von seiner ursprünglichen allgemeinen Bedeutung“) absehen — auch noch 
von Machiavelli in mehrfachen Bedeutungen angewandt”) und er dient nach dem 
heutigen Sprachgebrauch, dem sich auch der Jurist und Politiker m. E. nicht einfach ent- 
ziehen kann, offensichtlich nicht zur Bezeichnung der Mehrherrschaft schlechthin, sondern 
nur zur Bezeichnung der Volksherrschaft. 
20) Richard Schmidt, Allgemeine Staatslehre, I. Band, 1901, S. 259ff., bes. S. 263, IL B., II. Teil 1903, 
S. 833 ff., bes. S. 839, 
31) Dabei muss allerdings die unendliche Fülle der verschiedenartigsten Einteilungen, wie sie beispielsweise 
bei Schvaroz, Elemente der Politik, 1895, S. 79ff. zu finden ist, grösstenteils unberücksichtigt bleiben. 
2) So z.B. v.Haller, Restauration der Stastswissenschaft (1818) I, S. 484ff.; v.Martitz, Die Mo- 
nerchie als Staateform, 1903, S. 4.; Jellinek, A. St.L., 2. A., S. 649£f, 3. A. S. 665 ff. 
22) Vgl. auch Gareis, Rechtsenzyklopädie, 2. A. 1900, S. 143. 
%) Ebenso anscheinend v. Martitz, S. 6. 
%) Allg. St.L. 2. A. I, S. 695, 3. A. S. 712. 
2) Republik bedeutet „Gemeinwesen“ schlechthin, vgl Jellinek, S. 693 (710). 
”) 8, Adolf Sohmidt, 8. 61.
	        
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