Full text: Handbuch der Politik. Erster Band. (1)

142 Wilhelm van Calker, Die staatlichen Herrschaftsformen. 
  
treter der Interessen ihrer Standesangehörigen gegenüber dem Landesherrn erschienen. 
Ihre Beziehungen zum Fürsten bewegten sich auch nicht in den Formen des Verkehrs von 
Staatsorgan zu Staatsorgan, sondern in der Form des Vertrages gleichberechtigter Kontra- 
henten. Vielfach beschränkte sich ihre Tätigkeit nicht nur auf die Steuerbewilligung und die 
Zustimmung zum Erlasse von Gesetzen, sondern nahm geradezu den Charakter der Mitregierung 
— namentlich auf dem Gebiete der Finanzverwaltung — an und schuf so einen der Entwick- 
lung des Staatsgedankens höchst schädlichen Dualismus. Erst in den letzten Zeiten des 
ständischen Wesens zeigten sich Ansätze einer Wandlung der Stände zu Staatsorganen.®) 
Zu der Kategorie der ständischen Monarchie gehören beinahe sämtliche christlich- 
germanische Staaten des Mittelalters, namentlich das alte Deutsche Reich, sodann Frankreich, 
Spanien, Portugal, die italienischen Monarchien, Schweden, Dänemark, Ungarn u. a. Im 
Deutschen Reiche war die Entwicklung die, dass der vom Könige ursprünglich nur anlässlich 
der Hoftage eingeholte Beirat der Fürsten sich allmählich zu der Einrichtung des Reichstags 
verdichtete, während andererseits in den Territorien des Reiches die anfänglich nur auf den 
Hoftagen mit den „meliores et majores terrae“ gepflogenen Beratungen der Landesangelegen- 
heiten allmählich zu regelmässig zusammentretenden Landtagen wurden.*) Die Institution 
des deutschen Reichstags erhielt sich dem Namen nach bis zur Auflösung des alten deutschen 
Reichs; die einzelstaatlichen Landstände dagegen wurden der Mehrzahl nach im Verlaufe 
des 17. und 18. Jahrhunderts beseitigt; nur in einigen wenigen deutschen Staaten, wie 
Württemberg, Baden und Hessen, brachte erst die mit der Reichsauflösung gewonnene 
formelle unumschränkte Machtvollkommenheit der vormaligen Territorialherren die Aufhebung 
der längst missliebig gewordenen Stände.®) In Mecklenburg haben sie sogar das Insleben- 
treten des neuen Deutschen Reichs überdauert. Die Beseitigung der Landstände machte 
die deutschen Monarchien vorübergehend zu absolut regierten Staaten. 
ßß) Die konstitutionelle Monarchie. 
Die eigentliche Grundlage der konstitutionellen Monarchie ist der Staat des aüfge- 
klärten Absolutismus, jedoch leben auch heute noch manche altlandständische Erinnerungen in der 
konstitutionellen Monarchie fort.®) Mit der absoluten Monarchie hat der monarchische 
Konstitutionalismus vor allem das Eine gemeinsam, dass hier wie dort alle Staatsgewalt in 
der Hand des Herrschers vereinigt ist, der der praesumptive, originäre Träger aller aus 
dem Wesen des Staates sich ergebenden, in der Staatsgewalt begrifflich vereinigten Zu- 
ständigkeiten ist. 
Ihre deutlichste Ausprägung hat die konstitutionelle Monarchie in den monarchischen 
deutschen Einzelstaaten gefunden, so dass man sie geradezu als die spezifisch deutsche (so 
Bornhak, A. St. L. S. 34) oder auch preussisch-deutsche Staatsform (so Hintze S. 381) 
bezeichnet hat und dass man jedenfalls berechtigt ist, ihre Wesensmerkmale in den einzel- 
staatlichen deutschen Verfassungsurkunden aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 
zu suchen. 
°) Vgl. Seydel. S. 27. 
21) Aus der einschlägigen Literatur ist besonders hervorzuheben: Unger, Geschichte der Deutschen 
Landstände, 2 Bde., 1844; Mundt, Geschichte der deutschen Stände eto., 1854; v. Campe, Die Lehre von den 
Landständen nach gemeinem deutschen Staatsrechte, 2. A., 1864. 
e) Vgl. Heusler, S. 282ff.; Hubrich, Deutsches Fürstentum und Doutsohes Verfassungswesen 1905, 
Ss. 23ff. 
®)Hintze, Das monarchische Prinzip und die konstitutionelle Verfassung, 1911, Preuss. Jahrbücher, 
B. 144, H. 3, S. 387, spricht von dem monarchischen Konstitutionslismus in anschaulicher Weise als von einer 
„Metsmorphose des alten aufgeklärten Absolutismus‘ und erblickt seine historisch-politische Grundlage in der 
Eigenart des auf dem Kontinent vorberrschenden kriegorisohen Staatstypus.
	        
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