Adolf Tecklenburg, Allgemeine Würdigung der Herrschaftsformen. 163
erhaltung sich mühen muss, ist die monarchische dieser Aufgabe enthoben und kann ihre ganze
Kraft auf die Erfüllung der Staatsaufgaben verwenden. So erscheint es n'cht auf’allend. wenn
selbst in der Sozialgesetzgebung hische Staaten die demokratischen zu überflügeln vermögen °)
Die hervorragende Stellung des Monarchen und die in ihm verkörperte Einheit der Staats-
gewalt befähigen den monarchischen Staat besonders zu festem Auftreten nach aussen; für den
Kriegsfall gelangt in dieser Richtung das Oberfeldh tdesM hen zur höchsten Bedeutung.)
Das monarchische System und die durch es ausgebildete höfische Sitte hat die Grundlage tür
die Formen des völkerrechtlichen Verkehrs abgegeben .?**)
Eine starke Gewähr für eine umsichtige Pflichterfüllung durch den Monarchen liegt in der
seine Einzelpersönlichkeit allein treffenden Verantwortung.) Diese bedingt, dass der Monarch
sowohl gegenüber seiner Umgebung als gegenüber den Parteien im Volke eine einsame Stellung
einnimmt, und so ein Schirm dafür ist, „dass nicht zerstörende Richtungen im Volkstum die Über-
hand gewinnen, und dass nicht in den Parteiungen Machtelemente zutage treten, welche durch
Plutokratie, Kastengeist und Parteityrannei der wahren Förderung des Staates hinderlich sind.‘“*)
Wissenschaften und Künste haben oft eigenster Initiative der Fürsten verständigste Pflege zu
danken.®) Diese allseitig hohe Stellung des Monarchen vermag sich auch gegenüber Änderungen
der Staatsverfassung zu behaupten, welche dem Wandel der Lebensverhältnisse entsprechen.
Fasse man den Übergang vom absoluten Königtum zur repräsentativen Verfassungform ins Auge
oder denke man noch weiter an eine unmittelbare Beteiligung des Volkes an der Ausübung der
Staatsgewalt, man wird keiner Skepsis in die Aufnahmefähigkeit der monarchischen Herrschafts-
form begegnen.*°)
Gegenüber diesen durchgängig anerkannten Vorteilen der Monarchie sind einerseits Über-
treibungen der Vergessenheit anheimgefallen und andrerseits hat man auch nicht nötig, vor Be-
denken das Auge zu verschliessen. Unfruchtbare Übertreibung war es, wenn Stahl noch im ver-
flossenen Jahrhundert versuchte, den theokratischen Ursprung der Monarchie zu behaupten ;*)
denn hieraus würde sich der Charakter als einer absolut besten Staatsform ergeben, was trotz Stahls
Versuch einer Erklärung mit seiner eigenen Anschauung von der bloss relativen Vollkommenheit
aller Verfassungen, dem Erfordernis ihrer „Angemessenheit an Volk und Zeit‘) und mit seiner
Forderung unverträglich ist, dass alle wirkliche Einrichtung den bestimmten individuellen Bedürf-
nissen folgen müsse.*)
Ein Bedenken gegen die Monarchie ist die jedesmalige Eignung des Herrschers zu seinem
Amt. Maine“) wendet zwar ein, dass bei jeder Staatsform es auf Zufall beruhe, dass zur Leitung
der öffentlichen Angelegenheiten der am besten Geeignete berufen werde; allein damit ist die Mög-
lichk. it einer Gefahr nicht beseitigt, die aus der Überlieferung einer Fülle von Macht an einen ein-
zelnen Menschen entspringt.) Wohl aber greifen hier die Garantien ein, die der moderne Staat
durch Beimischung demokratischer Elemente gegen eine Herrschaft nach Willkür und Laune eines
Monarchen geschaffen hat, der seiner Stellung nicht gerecht zu werden vermag.“)
35) Rehm, Staatslehre S. 203.
%) Jellinek, Staatslehre S. 693; Kohler, Rechtephilosophie, 163.
sea, Stoerk, Festgabe für Laband, I (1907) 163,
”) Sidgwick, 620.
%®) Kohler, Rechtsphilosophie, 163; v. Treitschke I 156.
®) Kohler, Rechtsphilosophie, 163; Beispiele: Friedrich der Grosse, Karl August von
Sachsen-Weimar, Maximilian II. v. Bayern („Geschichte der Wissenschaften in Deutschland“).
%) v.Treitschke, Politik, 12; Jellinek, Staatslehre 653, 664; Menger, Neue Staatslehre,
172 ff., vgl. auch Schäffle, Bau u. Leben des sozialen, Körpers IV 290.
4) Friedrich Julius Stahl, Philosophie des Rechte I I2 S. 63.
“) Friedrich Julius Stahl, Philosophie des Rechts II, 2 S. 621f.
“) Friedrich Julius Stah 1, Philosophie des Rechtes II, 2 S. 311.
4) Henry Sumner Mainel,on popular Government, siehe das Zitat bei Seydel, Abhandlungen, 1893
"s) Seydelin Hirths Annalen, 1898 S. 488.
“@) Roscher, Politik 32f.