Full text: Handbuch der Politik. Erster Band. (1)

Franz W. Jerusalem, Zentralisation und Dezentralisation der Verwaltung. 191 
  
1400 zu königlichen Beamten geworden waren, die zentralisierenden Tendenzen des Königtums. 
Der mächtigere Faktor in diesem Kampfe war aber der Gouverneur, der immer umfassendere Be- 
fugnisse in seinem Bezirke auf Kosten der Lehnsträger und der autonomen Städte an sich riss. 
Aber auch die Gouverneure wurden vom Feudalismus angesteckt, sodass das Werk der Zentrali- 
sierung aufs neue gefährdet war. Gegen sie stellt das Königtum die Intendanten ins Feld. 
Sie haben das Werk der Zentralisation vollendet. Zunächst um die Mitte des 16. Jahrhunderts 
nach Art der Karolingischen Missi als Inspekteure der Zentralverwaltung periodisch in die 
Provinzen entsandt, wurden sie allmählich zu ständigen Behörden, die sich im Laufe der Zeit 
nicht mehr damit begnügten, die Zentralregierung in Paris über die Lokalverwaltung auf dem laufen- 
den zu halten, sondern auf Grund von Instruktionen des Königs nach und nach die ganze Verwaltung 
der ihnen unterstellten Provinz unter Zurückdrängung der bestehenden Institutionen, vor allem der 
feudalen Gouverneure an sich rissen. Die Intendanten haben der Organisation des Frankreich des 
18.Jahrhunderts das charakteristische Gepräge gegeben. 
Es war kennzeichnend für die Intendanten, wie es für die Gouverneure gewesen war, dass sie 
ihre Macht missbrauchten und sich zu absoluten Herren ihres Bezirkes zu machen suchten ; der Unter- 
schied bestand aber gegenüber den Gouverneuren darin, dass darin nicht mehr, eine Gefahr für 
das absolute Königtum, vielmehr umgekehrt eine Erweiterung seiner Macht lag. Die Inten- 
danten waren Beamte, die aus der Verwaltung hervorgingen und die sich stets als Untergebene 
der Zentralgewalt fühlten. Die Zentralisation der gesamten Lokalverwaltung in der Hand des 
Intendanten war geradezu die Voraussetzung für eine grössere Zentralisation in der Hand der 
Regierung, vor allem des Conseil du Roy. Dementsprechend beginnt seit 1721, als die Lokal- 
verwaltung fast ausschliesslich im Intendanten vereinigt war, die Tendenz nach stärkerer Zentra- 
lisierung der Verwaltungsgeschäfte im Conseil du Roy. Die Zentralgewalt bebielt sich nunmehr 
in einer Reihe von Fällen die eigene Entscheidung vor, die sie vorher den Provinzialgewalten hatte 
überlassen müssen. 
Dem allgemeinen Schicksale, das das absolute Königtum den selbständigen Gewalten 
innerhalb des Staatsgebietes bereitet hatte, waren auch die Städte nicht entgangen. Ihre 
Autonomie hatten sie mit der fortschreitenden Entwicklung des absoluten Königtums verloren. 
Die Ämter der Bürgermeister und Schöffen, die in den Zeiten der Selbständigkeit der Städte 
durch Wahl erworben wurden, sind im Interesse der staatlichen Finanzen nunmehr käuflich. 
Obwohl im Laufe der Zeit eine ganze Reihe von Reformprojekten, die die unhaltbaren Zustände 
dieser Verfassung, insbesondere die Tyrannei der Intendanten, beseitigen sollten, auftauchten, blieb 
biszum Endedes Ancien Regime abgesehen von vereinzelten Ref allesbeimalten. DieRevolution 
erst räumte, wie sie alles andere über den Haufen warf, auch mit der Verwaltungsorganisation 
radikal auf. Nach langen Beratungen kam das Generaldekret vom 26. Februar/4. März 1790 
zustande, das die bisherige Provinzialordnung aufhob und das Land ohne Rücksicht auf bisherige 
territoriale Zusammengehörigkeiten in 83 Departements teilte. Kaum einer der Namen, die man 
diesen neuen Bezirken gab, erinnerte an die Vergangenheit. Einige Abgeordnete in der National- 
versammlung schlugen vor, die einzelnen Departements einfach mit Nummern zu bezeichnen. 
Mit gewissem Recht meinte Burke von diesem Radikalismus, es sei das erste Mal in der 
Geschichte, dass man das eigene Vaterland in Stücke schneide. Nur in einigen Teilen des 
Landes regte sich der Widerstand, in der Bretagne, in Languedoc, in Chambresis, und in der 
Dauphine, wo Mounier den Widerstand schürte. In den übrigen Teilen riss der Taumel des 
Revolutionszeitalters die Bevölkerung fort. " 
Die Nationalversammlung, huldigte dem gleichen Radikalismus, was das Verwaltungssystem 
der einzelnen Departements betraf. Die gesamte Lokalverwaltung in den einzelnen Departements 
und den eingeordneten kleineren Verwaltungsbezirken wurde gewählten Körperschaften über- 
tragen. Für jedes Departement wurde aus indirekten Wahlen der Bevölkerung der Conseil de 
departement gebildet, aus dessen Mitte ein geschäftsführender Ausschuss, das Directoire hervor- 
geht. Einem gleichfalls gewählten Procureur general syndic wurde die Leitung der Verwaltungs- 
geschäfte des Departements übertragen. Er hatte die besondere Aufgabe, die Gesetzmässigkeit 
der gesamten Departementsverwaltung zu überwachen. Im Conseil de departement hatte er 
nur beratende Stimme, er musste jedoch vor jeder Abstimmung gehört werden.
	        
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