Wilhelm von Blume, Kommunalpolitik. 299
Die Wohnungsfürsorge ist das wichtigste Mittel zur Pflege der körperlichen, geistigen
und sittlichen Gesundheit der Bevölkerung. Die Körperpflege zumal ist, wie schon
bemerkt wurde, mehr und mehr ein Gebiet der Gemeinde-Politik geworden. Die Fortschritte
der Volkshygiene fordern Massnahmen der Gemeinden nach den verschiedensten
Richtungen. &s fordern zunächt, dass, wie die Wohnungen, so auch die Verkehrswege und
Verkehrsmittel in gesundheitsgemässem Zustande sich befinden, sie fordern ferner, dass für
die Pflege der Gesundheit des einzelnen die Gemeinden überall da eintreten, wo der Einzel-
haushalt nicht mehr zu dieser Pflege ausreicht. Dass die Kindersterblichkeit und dass die
Kinderkrankheiten mit durchgreifendem Erfolge nur bekämpft werden können im Wege
einer allgemeinen Fürsorge, ist heute eine nicht mehr bestrittene Erkenntnis. Die Kinder-
pflege beginnt mit der Fürsorge für die Säuglinge und endigt mit der Fürsorge für die
Erwachsenen. Auf diesem ganzen Entwicklungswege wird das Kind von der Fürsorge-
tätigkeit der Gemeinde begleitet. Die Fürsorge für die Gesundheit der Erwachsenen er-
schöpft sich heute keineswegs in vorbeugenden Massnahmen, sondern die Gemeinde muss
notwendig den Mitgliedern die Lebensmittel zur Verfügung stellen, die heute in gesundheits-
mässigem Zustande nur durch grössere Verbände beschafft werden können oder wenigstens
durch Anstalten solcher Verbände zum Genuss vorbereitet werden können: Man denke an
die Wasserversorgung und die Versorgung mit Fleisch; die Beschaffung von Badegelegenheit,
von Gelegenheiten zur Erholung, zur körperlichen Kräftigung, reihen sich diesen Massnahmen
an. Aelter als die vorbeugende Volksgesundheitspflege ist die Fürsorge im Falle der Krank-
heit. Sie ist aber durch die vorbeugende Gesundheitspflege keineswegs überflüssig geworden,
sondern nach wie. vor baben die Gemeinden zu sorgen für die Heilung der Kranken
und erfüllen diese Pflicht nicht nur durch Erbauung von Krankenhäusern, sondern auch
durch die Hergabe von Erholungsstätten für die Genesenden. Und über das Leben hinaus
sorgt die Gemeinde auch für die abgeschiedenen Mitglieder, indem sie Friedhöfe bereit
stellt und dazu übergeht, die Beerdigung auf diesen Friedhöfen in eigene Verwaltung zu
nehmen, wie es denn auch die Gemeinden gewesen sind und sein werden, die die für die
Feuerbestattung nötigen Anstalten besorgen.
Dass die Fürsorge für die geistige Ausbildung und Versorgung der Bevölkerung
eine Gemeindeaufgabe sei, ist, seit die Schule eine öffentliche Anstalt geworden ist, ein feststehender
Satz der Kommunalpolitik. Zwar ist in der deutschen Schulverfassung den Gemeinden
die volle Verwaltung der Volksschule nicht belassen, sondern in ihrer Hand befindet sich
nur die sogenannte äussere Schulverwaltung auf diesem Gebiets; uneingeschränkt aber hat
sie die Fürsorge für diejenigen Schüler, die die Volksschule nickt besuchen. Die Errichtung
von Mittelschulen, die Errichtung von höheren Schulen und die Organisation dieser Schulen
gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Gemeinden. Es liegt auf der Hand, dass die Ge-
meinde für das Schulwesen insofern besonders befähigt ist, als eine gute Schulverwaltung
fordert, dass die Eltern, die ihre Kinder der Schule anvertrauen, Vertrauen zu einer richtigen
Schulpflege haben können, und dieses Vertrauen wesentlich dadurch gemehrt wird, dass
die Organisation der Gemeinde Gelegenheit gibt auf die Schulverwaltung Einfluss zn üben.
Wenn in neuerer Zeit die Gemeinden sogar dazu übergehen, dem Hochschulwesen sich zu-
zuwenden, so wird hierin nur das Streben zu erblicken sein, die besonderen Eigentümlich-
keiten, die jede Gemeinde in sich ausbildet, nutzbar zu machen auch für die Spezialausbildung
in den Berufen. Und vielleicht ist die Uebernahme dieser Pflichten durch die Gemeinde
ein nicht zu unterschätzendes Mittel den zentralisierenden Bestrebungen auf dem Gebiete des
Hochschulunterrichts eine gesunde Gegenwirkung entgegenzustellen.
Die Fürsorge für das geistige Wohl! der Bevölkerung endigt mit der Schule nicht. Die
Beschaffung von Volksbibliotheken, die Gründung von Museen, die Veranstaltung von
Volksvorstellungen, volkstümlichen Musikaufführungen und dergleichen sind Mittel, auch
der geistig reiferen Bevölkerung Anregung und Ausbildung zu gewähren. Auch das Theater-
wesen wird je länger je mehr zu einer Aufgabe der Gemeinde nicht nur insofern, als sie