Full text: Handbuch der Politik. Erster Band. (1)

230 Wilhelm von Blume, Kommunalpolitik. 
  
die Räumlichkeiten dafür herzugeben, sondern auch für eine würdige Benutzung dieser 
Räume Sorge zu tragen hat. 
Während die bisher besprochenen Aufgaben der Gemeindepolitik allen Schichten der 
Bevölkerung zugute kommen, handelt es sich bei den Aufgaben, die man als solche der 
Sozialpelitik zu bezeichnen pflegt, um die Ausgleichung derjenigen Nachteile, die einzelnen 
Klassen der Bevölkerung durch die Entwicklung unserer Wirtschaft und unseres Privat- 
rechts drohen und die im Sinne einer richtigen Gestaltung unseres Gemeinwesens auf Kosten 
der Gesamtheit gemindert, wenn nicht beseitigt werden müssen. Unter den Klassen, die 
hier in Betracht kommen, stehen für die Gemeinden wie für den Staat nach wie vor die 
Arbeiter im Vordergrund. Zwar hat sich die Arbeiterfürsorge der Gemeinde zunächst zu 
erstrecken auf die eigenen Arbeiter, die in den noch zu besprechenden Gemeindebetrieben 
angestellt sind, sodann aber auch darüber hinaus auf alle Arbeiter, die in der Gemeinde 
eine Wohnung haben. Die Arbeiterfürsorge, die die erstere Gruppe betrifft, ergibt sich als 
eine Pflicht von selbst aus dem Arbeitsverliältnis, und, dass dieses Arbeitsverhältnis von den 
Gemeinden mit besonderem Ernst aufzufassen ist, ergibt sich wiederum daraus, dass die 
Gemeinde eine Korporation des öffentlichen Rechts und als solche zum Ausgleich der einander 
entgegengesetzten Interessen berufen ist. So ist denn der Satz, dass die Gemeindebetriebe Muster- 
betriebe sein sollten, insbesondere gemünzt auf das Verhältnis der Gemeinde zu ihren Arbeitern. 
Nur bei weitester Auffassung ihrer eigenen Pflichten wird insbesondere die ‚Gemeinde ver- 
langen können, dass ihre Angestellten nicht rücksichtslos die Möglichkeit, ihre Lebensver- 
hältniese durch einen Streik zu verbessern, für sich ausnützen. Und sie wird den Ge- 
danken der konstitutionellen Arbeitsorganisation um so mehr aufnehmen dürfen, als ihre 
eigene Organisation durchaus auf diesem Gedanken aufgebaut ist. 
Die Fürsorge für die Arbeiter anderer Betriebe kann eine Notwendigkeit für die Ge- 
meinden sein zunächst unter dem Gesichtspunkt, dass diese Arbeiter mittelbar für die Ge- 
meinden beschäftigt werden, sofern sie bei Unternehmern in Arbeit stehen, die für die Ge- 
meinden Lieferungen besorgen; für diese Arbeiter durch entsprechende Gestaltung der 
Lieferungsverträge einzutreten, ist Recht und Pflicht der Gemeinde, da diese Rücksicht- 
nahme auf die mittelbar in ihrem Dienst beschäftigten Arbeiter das beste Mittel ist, um zu 
verhindern, dass durch Streiks oder ähnliche Kampfmassnahmen den Unternehmern die Er- 
füllung ihrer Verpflichtung unmöglich gemacht wird. Darüber hinaus ist die Beschaffung 
von Arbeitsgelegenheit eine Gemeindeaufgabe geworden, seit die Gestaltung dee Arbeits- 
marktes dahin geführt hat, dass immer wiederkehrend eine Ueberfüllung des Marktes 
Arbeitslosigkeit im Gefolge hat und damit die Stadt zwingt, im Wege der Armenpflege mit 
ihren Mitteln einzutreten. Die Organisation des Arbeitsnachweises vermag diesem Uebel- 
stande zwar nicht ganz und gar vorzubeugen, aber vermag ihn doch wesentlich zu mildern. 
Andererseits ist es die Aufgabe der Gemeinde, vorsichtig zu erwägen, inwieweit die Fürsorge 
für die arbeitslosen Arbeiter anstatt in der Form der Armenpflege gewährt werden kann 
durch die Beschaffung von Arbeitsgelegenheit und durch die Form einer Versicherung, die 
der Gewährung von Geldmitteln den Stachel der Armenfürsorge nimmt. 
Neben den Arbeitern haben in neuerer Zeit dıejanigen Bevölkerungsgruppen, die unter 
der Bezeichnung des Mittelstandes zusammengefasst werden, mehr und mehr die Fürsorge 
der Gemeinden für sich in Anspruch genommen, und es ist keiue Frage, dass die Gemeinden 
insbesondere durch die richtige Erziehung und fachliche Ausbildung der Gewerbetreibenden 
einen grossen Einfluss auf die Gestaltung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse ausüben kann. 
Das gewerbliche Fortbildungswesen in allen seinen Schatti gen, d berauchdieOrganisati 
der Arbeit für die selbständigen Unternehmer, insbesondere durch zweckmässige Gestaltung 
des Submissionswesens, ist zweifellos geeignet manchen berechtigten Klagen dieser Be- 
völkerungskreise abzuhelfen. Auf der anderen Seite muss ihrem allzu lauten Hilferuf 
entgegengehalten werden, dass ihre besondere Aufgabe im wirtschaftlichen Leben gerade 
in ihrer Selbständigkeit beruht, und sie, wenn sie diese Selbständigkeit durch Einwirkung 
der Gemeindefürsorge sich verkürzen lassen, damit ihre Existenzberechtigung in Frage stellen.
	        
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