Full text: Handbuch der Politik. Erster Band. (1)

Wilhelm von Blume, Kommunalpolitik. 233 
Bodenwerte von der Politik der Gemeinden in erster Linie abhängt. Die Besteuerung des 
Grundes und Bodens zeigt in besonderem Masse wie eng die Finanzpolitik der Gemeinden 
zusammenhängt mit ihren sonstigen Massnahmen; kann doch durch eine falsche Boden- 
besteuerung eine erhebliche Erschwerung der Bebauung herbeigeführt werden, wie anderer- 
seits eine richtige Bodenbesteuerung zugleich im Dienst der allgemeinen Boden- und 
Wobhnungspolitik steht. Die Besteuerung des Grundes und Bodens überhaupt rechtfertigt 
sich ja dadurch, dass in den Gemeinden mit Notwendigkeit die Entwicklung der Bevölkerung, 
des wirtschaftlichen Lebens und aller Bevölkerungsbedürfnisse eine Steigerung der Boden- 
werte im Gefolge hat, eine Steigerung, die durch die Tätigkeit des Bodenbesitzers gar 
nicht oder nur in geringem Masse Bedingt ist, sodass die Gemeinde, wenn sie den 
Grund und Boden besteuert, nur das sich zurückgewähren lässt, was sie selbst dem Boden- 
besitzer gegeben hat. Das Ideal einer Bodenbesteuerung wäre also eine regelmässig wieder- 
kehrende Besteuerung des steigenden Bodenwertes. Solange diese nicht durchgeführt ist, 
kann annähernd dasselbe Ziel erreicht werden, indem einerseits der Grund und Boden 
besteuert wird nach dem Werte, der ihm jeweilig zukommt, anderseits die Steigerung 
berücksichtigt wird bei einem eintretenden Eigentumswechsel. Bei der Besteuerung der letzten 
Art, der Wertzuwachssteuer, konkurriert allerdings, nach der neuesten Gesetzgebung im Reiche, 
dieses insofern mit den Gemeinden als es den Vermögenszuwachs bestenert. Indessen bleibt der 
oben ausgesprochene Gedanke, das grundsätzlich die Besteuerung des Bodens in erster Linie Ge- 
meindesachesei, von dieserGesetzgebung unberührt. In zunehmendem Massehaben dieGemeinden 
weiterhin die Besteuerung gewisser Luxusbedürfnisse neuerdingsunternommen. Insbesondere ist 
die Besteuerung der Lustbarkeiten zu einer ergiebigen Einnahmequelle geworden, eine Besteue- 
rung, die um deswillen eben nur von den Gemeinden durchgeführt werden kann, weil bei ihr die 
örtlichen Verhältnisse eine ausschlaggebende Rolle immer spielen werden. Die Besteuerung des 
Einkommens der Bürger ist den Gemeinden nicht ganz verschlossen, ja die Dinge haben sich in 
Preussen allmählich so gestaltet, dass der grössere Teil der Gemeinden mit seinen Zuschlägen 
zur Staatseinkommensteuer deren Satz überschreitet, in nicht seltenen Fällen das doppelte 
der Staatssteuer erreicht. Diese Erscheinung ist bedenklich für den Staat, der seine eigenen 
Steuerquellen von den Gemeinden auf diese Weise erschöpft sieht, sie ist aber auch bedenklich 
für die Gemeinden selbst, sofern eine Ueberlastung der Einkommen ihrer Bürger notwendig 
die Entwicklung der Gemeindegefährdet, und sich der cireulus vitiosusergibt, dass die Gemeinde 
hohe Steuern hat, weil ihr die wohlhabenden Bürger fehlen und keine wohlhabenden Bürger 
bat, weil sie zu hohe Steuern erhebt. Um so mehr muss darauf gedrungen werden, dass 
die Gemeinden so viel als irgend möglich ihre Bedürfnisse aus den Quellen zu decken 
suchen, die ihnen ausschliesslich überlassen sind, sowie, dass sie bei ihrer gesamten Finanz- 
gebarung es an der nötigen Rücksicht auf den Staat nicht fehlen lassen. Diese Forderung 
wird auch dann betont werden müssen, wenn die Beschaffung von Geldmitteln durch 
Anleihen in Frage steht. In dieser Hinsicht ist zweifellos stark gesündigt worden. Die 
Gemeinden haben häufig Ausgaben auf Anleihen übernommen, die richtiger durch zurück- 
gelegte Mittel befriedigt worden wären. Die Gemeinden haben in dieser Hinsicht genau 
enselben Fehler begangen, den die Staaten in nur zu vielen Fällen sich haben zuschulden 
kommen lassen. Sie haben auch in dieser Beziehung die Erfahrungen, die in der Einzel- 
wirtschaft gemacht werden, keineswegs genügend berücksichtigt. Denn wenn Ausgaben 
periodisch wiederkehren, so wird im Einzelhaushalt für diese Ausgaben eine Aufstellung 
emacht, es wird ein Fonds angesammelt. In der Gemeindefinanzpolitik aber ist der 
edanke, durch Aufsammlung von Fonds für die Zukunft zu sorgen, überhaupt erst in 
neuerer Zeit zur Geltung gebracht und noch lange nicht in dem wünschenswerten Umfange. 
Es ist aber gerade durch diese Anleihewirtschaft der Gemeinden mitverursacht worden, 
dass der Geldmarkt durch öffentliche Anleihen allzusehr in Anspruch genommen und deren 
Kurs gedrückt worden ist. Und eine Gesundung dieser Verhältnisse wird durch die Staats- 
politik allein niemals herbeigeführt werden können; die Kommunalpolitik muss zu ihrem 
eil, ja an erster Stelle dazu beitragen.
	        
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