298 Paul Schoen, Die formellen Gesetze.
(oder ähnlich), was folgt‘ zum deutlichen Ausdrucke. Die Ausfertigung ist Ausstellung einer öffent-
lichen Urkunde über das Gesetz, die eine Bescheinigung über das Vorhandensein des Gesetzesbe-
fehles, das ordnungsmässige Zustandegekommensein des Gesetzes und den richtigen Wortlaut des
Gesetzestextes darstellt. Sieerfolgtdadurch, dass der Landesherr das mit dem Landtage vereinbarte,
ihm in Schriftform vorgelegte Gesetz unter ministerieller Gegenzeichnung unterzeichnet. Das Datum
dieser Urkunde ist das Datum des Gesetzes. Die Zurücknahme der Sanktion wie des in ihrem Ge-
folge erlassenen Publikationsbefehles (s. unter d) seitens des Landesherrn ist zulässig, solange diese
Anordnungen noch nicht aus dem Regierungsorganismus herausgetreten sind, d. h. bis zur Ver-
kündigung des Gesetzes, °) die den letzten Akt des Gesetzgebungsprozesses ausmacht.
d) Die Verkündigung (Publikation) ist die amtliche Bekanntmachung der sanktio-
nierten Normen nach der landesberrlich vollzogenen Gesetzesurkunde, an die das Recht die Wirkung
knüpft, dass mit ihr das Gesetz als allgemein bekannt gilt und für jeden, den es angeht, verbindlich
ist. Erst mit dieser Verkündigung ist das Gesetz als solches vorhanden, erst mit ihr liest vor die not-
wendige Erklärung des Gesetzgebungswillens nach aussen hin. Sie hat zu erfolgen in dem gesetzlich
dazu bestimmten Blatte (Gesetzsammlung, Gesetz- und Verordnungsblatt, Regierungsblatt u.a. ge-
nannt). Den Befehl zu dieser Verkündigung erteilt der Landesherr, er liegt in der Rückgabe der
von ihm vollzogenen Gesetzesurkunde an den Minister zur weiteren Veranlassung. Das publizierte
Gesetz tritt, sofern es nicht selbst einen Termin für sein Inkrafttreten bestimmt, in Kraft an dem
Tage, an dem eine allgemeine landesgesetzliche Bestimmung die Landesgesetze in Kraft treten
lässt (in Preussen z. B. nachı dem Ges. vom 16. Februar 1874 mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf
desjenigen Tages, an welchem das betr. Stück der Gesetzsammlung in Berlin ausgegeben ist.)
oder, wo es an solcher fehlt, sofort mit der Publikation.
2. ImReiche wird nach Art. 5 der R.Verf. die Gesetzgebung „ausgeübt durch den Bundes-
rat und den Reichstag“. Und zwar ist die Stellung des Reichstages dabei die gleiche wie die der
Landtage, diedes Bundesrates die gleiche wie dieder Monarchen in den Einzelstaaten, nur mit der Mass-
gabe, dass die Tätigkeit des Bundesrates abschliesst mit der Sanktion. Die nach der Sanktion liegende,
mehr formale Behandlung des Gesetzes, seine Ausfertigung und Verkündigung ist durch Art. 17
der R.Verf. dem Kaiser zugewiesen. Ausser dem Träger der Staatsgewalt und der Volks-
vertretung tritt hier also noch ein anderes Staatsorgan im Gesetzgebungsprozesse auf, der Kaiser,
und Sanktion und Ausfertigung des Gesetzes fallen hier dadurch, dass sie verschiedenen Organen zu-
gewiesen sind, auseinander—dassind dieMomente, diedem Werdegange des Reichsgesetzes besonders
charakterisch sind im Gegensatze zu dem des Landesgesetzes. Im einzelnen ist zu jenem noch folgen-
des zu bemerken:
a) Die Initiative zu einem Reichsgesetze hat der Bundesrat wie der Reichstag,!°) nicht
aber der Kaiser; dieser kann nur, wie jeder andere Bundesfürst, im Bundesrate d. h. also als König
von Preussen — denn als Kaiser ist er hier garnicht vertreten — einen Antrag auf Beratung eines
Gescetzesvorschlages stellen (Art. 7 Abs. 2), ein Gesetzesvorschlag liegt dann aber erst vor, wenn der
Bundesrat den preussischen Antrag angenommen hat.
b) Der Gesetzesinhalt wird vereinbart zwischen dem Bundesrate und dem
Reichstage. Er ist festgestellt, wenn übereinstimmende Annahmebeschlüsse beider Körperschaften
vorliegen. Im Reichstage genügt zur Annahme jedes Gesetzentwurfes ein einfacher Mehrheitsbe-
schluss (Art. 28). Iım Bundesrate ist ein solcher hinreichend (Art. 7 Abs. 3), sofern es sich nicht um
einen der folgenden vier Fälle handelt: 1. ein Gesetzentwurf, der eine Verfassungsänderung be-
zweckt, ist im Bundesrate schon abgelehnt, wenn er 14 Stimmen gegen sich hat (Art. 78 Abs. 1);
®) Anders nur, wo, wie in Bayern, dor Landeslerrzu bestimmter Zeit dem Landtage über die Sanktion Mit-
teilung zu machen hat, und mit dieser Erklärung an das von ihm unabhängige Staatsorgan die Disposition über
seine Anordnung verliert.
10) Insbesondere kann der Reichstag, von dem es in Art. 23 der R. Verf. heisst, er „hat dasRecht, innerhalb
der Kompetenz desReiohes Gesetze vorzuschlagen“, auch verfassungsändernde Gesetze vorschlagen,
da nach Art. 78 der R. Verf. auch Änderungen der Verf, in die Kompetenz des Reiches fallen.