Full text: Handbuch der Politik. Erster Band. (1)

Paul Schoen, Die Verordnungen. 307 
  
allerdings häufiger landesherrliche Verordnungen, die sich Instruktionen oder Reglements nennen,!°) 
aber auch diese enthalten regelmässig keine Anweisungen zur Gesetzesauslegung, regeln vielmehr 
Geschäftsgang und Kompetenz der Verwaltungsbehörden und sind so ihrem Inhalte nach wesent- 
lich als Organisationsverordnungen zu qualifizieren (s. die flgde. Ziff. 2). Das Recht, an die Reichs- 
behörden und Reichsbeamten Anweisungen zu erlassen, steht an oberster Stelle dem Kaiser (nicht 
dem Bundesrate) als dem obersten Leiter der eigenen und unmittelbaren Reichsverwaltung und 
Dienstherrn aller Reichsbeamten zu. Den Behörden der Einzelstaaten können Reichsorgane Dienst- 
anweisungen nicht erteilen, da jene in keiner dienstlichen Unterordnung zum Reiche und zu denReichs- 
behörden stehen. Um aber eine einheitliche Handhabung und Auslegung der Reichsgesetze seitens 
der Verwaltungsbehörden der Einzelstaaten zu sichern, kann der Bundesrat auf Grund des Art. 7 
Ziff. 2 der R.-Verf. die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen „allgemeinen Verwaltungs- 
vorschriften‘“ beschliessen. Die Regierungen der Einzelstaaten sind dann verpflichtet, für die 
Durchführung dieser Verwaltungsvorschriften zu sorgen, und tun dieses, indem sie an ihre Landes- 
behörden entsprechende Dienstanweisungen und Instruktionen erlassen. 
2. Organisationsverordnungen sind Verordnungen, welche die Errichtung 
von Behörden, deren Zusammensetzung und innere Gestaltung wie auch deren Kompetenzen im 
Verhältnisse zu einander und zu den Untertanen zum Gegenstande haben. Die Frage, ob und wie- 
weit überhaupt Behörden im Wege der Verordnung geschaffen und organisiert werden können, ist 
nach den oben unter II erörterten Grundsätzen dahin zu beantworten, dass dieses ohne besondere 
gesetzliche Ermächtigung nur zulässig ist, wenn die anzuordnende Einrichtung keine über den 
Rahmen des Verwaltungsapparates hinausgehende Wirkung haben soll.!t) Handelt es sish also 
um organisatorische Anordnungen, die nicht lediglich Interna des Verwaltungsbetriebes betreffen, 
vielmehr auch in die Rechtsverhältnisse der Regierten eingreifen, indem sie Rechte und Pflichten 
dieser zur Entstehung bringen, wie dieses stets bei der Errichtung neuer Arten von Behörden der 
Fall ist, die Herrschaftsrechte gegenüber den Untertanen ausüben, oder denen gegenüber die Unter- 
tanen einen Rechtsanspruch auf bestimmte formelle Erledigung ihrer Angelegenheiten haben sollen, 
so können solche nur im Wege der Gesetzgebung getroffen werden, sofern nicht auf diesem eine 
Delegation erteilt ist. Ausserdem kann selbstverständlich wegen der Wirkung des formellen Ge- 
setzes keine auf einem solchen beruhende organisatorische Einrichtung, auch wenn sie nur interne 
Bedeutung hat, auf dem Wege der Verordnung abgeändert werden, wie dieser auch dort schlechthin 
ausgeschlossen ist, wo die Organisation bestimmter Behörden'?) oder deren Veränderung!®) aus- 
drücklich der formellen Gesetzgebung vorbehalten ist. Eine mittelbare Schranke des organisa- 
torischen Verordnungsrechtes endlich bildet das Budgetrecht der Volksvertretung, indem organi- 
satorische Einrichtungen, die dem Staate Kosten verursachen, nur getroffen werden können, wenn 
die erforderlichen Ausgaben in dem Etat oder einem anderen Gesetze bewilligt sind. In den hier- 
nach gezogenen Grenzen steht der Erlass von O genin den Einzelstaatenden 
Landesherren zu, und zwar sind diese, vermöge der allgemeinen verfassungsmässigen Eıimächtigung 
zum Erlasse von Ausführungsverordnungen, auch befugt, organisatorische Einrichtungen ins 
Leben zu rufen, die die Rechtsbeziehungen der Regierten tangieren. Über die Organisation von 
Behörden, und zwar von Reichs- wie von Landesbehörden (z. B. Zollämter), die zur Ausführung 
vonReichsgesetzen erforderlich sind, beschliesst, sofern nicht reichsgesetzlich etwas anderes be- 
10) 2, B. in Preussen die Instruktion zur Geschäftsführung der Regierungen 23. Okt. 1817, die 
Instruktion für die Oberpräsidenten 31. Dez. 1825; in Württemberg die Instruktion für die Kreisregierungen 
21. Dez. 1819. 
a4) Wie Bureaus, technische Institute, Beiräte der Behörden z. B. Volkswirtschafterat, Eisen- 
bahnräte. 
M) Wie die der Gerichte in Preussen schon durch die Verf.Urk. Art. 80. Heute sind die Grundlagen der 
Gerichtsorganisation für das ganze Reioh durch das Ger.Verf.Ges. 27. Jan. 1877 reiohsgesetzlioh normiert. 
2) Vgl. z.B. Preuss. Ausf.Ges. z. Ger.Vert.Ges. 24. April 1878 $21 „Die Sitze und Bezirke der Amte- 
geriohte werden durch Königliohe Verordnung bestimmt, Dieselben können nach dem 1. Oktober 1882 nur 
durch Gesetz verändert werden‘, 
20*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.