K. Schulz, Die Entlastung des Reichsgerichts. 345
Peters, Das englische bürgerliche Streitverfahren und die deutsche Zivilprozessreform. Berlin 1908.
Salinger, Max. Die Änderung des Rechtsmittels der Revision die dringlichste Frage des deutschen
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Der Kampf um ein geistig hochstehendes Reichsgericht. Von einem Juristen (Karl Schulz). Berlin 1910.
Putzler, Die Überlastung des Reichsgerichts und die Abhıilfevorschläge. Leipzig 19
Krantz, Ernst. Reichsgerichtsreform. Bemerkungen zu dem Gesstzentwurfe, En die Zuständigkeit
des Reichsgerichts. Berlin 1910,
Ott, Emil. Die In Österreich geplante Beschränkung der Revision mit Rückblick auf deren Geschicke
in Deutschland. Wien 191
In Art und Umfan der Tätigkeit der obersten Gerichtshöfe in den Kulturländern besteht
„eine grosse Verschiedenheit. An den französischen Kassationshof gelangen jährlich nur 700 bis 800
Kassationsgesuche. Zivil- und Strafsachen werden von je einem einheitlichen Senate entschieden,
soweit sie nicht von der Chambre des requetes nach einer Vorprüfung zurückgewiesen werden.
Noch enger sind die Arbeitsgebiete des obersten Bundesgerichtshofes der Vereinigten Staaten von
Amerika, der jährlich nur etwa 250 Rechtsfälle entscheidet, und des englischen obersten Gerichts.
Auf der Geschlossenheit und Einheitlichkeit der Rechtsprechung dieser Gerichtshöfe beruht ganz
wesentlich ihr unbestrittenes Ansehen und ihr grosser Einfluss. Nur ausgezeichnete Juristen aller-
ersten Ranges werden für sie ernannt. Im englisch-amerikanischen Recht ist die Fortbildung des
Rechts direkt an die einzelnen Persönlichkeiten der Richter geknüpft, die in den Urteilen aufge-
stellten Rechtssätze werden unter dem Namen des Richters, der sie bei der Begründung des Urteils
ausgesprochen hat, in Literatur und Praxis aufgeführt.
Den grössten Gegensatz zu diesen Gerichtshöfen bildet, was den Umfang der Arbeit anlangt,
das Deutsche Reicl sgericht. Mit dem Eintreten normaler Verbältnisse nach der Überleitung aus dem
früheren Rechtszustand wurden von 1884 ab etwa 2100 Revisionen in bürgerlichen Rechtsstreitig-
keiten eingelegt, von 1893 bis 1901 stiegen sie auf 3000, dann ganz schnell von 1902 bis 1904 auf 4000,
1909 auf 4595. An Stelle der ursprünglichen fünf Zivilsenate sind deren sieben getreten. Auch die
Revisionen in Strafsachen haben sich so vermehrt, dass statt drei Senaten fünf zu ihrer Aburteilung
nötig geworden sind. Trotz dieser Vermehrung war den Senaten eine rasche Abwickelung der Pro-
zesse nicht möglich. In Zivilsachen konnten die Verhandlungstermine erst 10 bis 14 Monate nach dem
Einbringen des Rechtsmittels abgehalten werden. Der Übelstand wäre durch eine weitere Vermeh-
rung der Senate des Reichsgerichts zu beheben, wenn mit einer solchen Vergrösserung des Gerichts
nicht der grosse Nachteil verbunden wäre, dass zwischen den vielen Senaten in ihrer Rechtsprechung
Widersprüche entstehen und dass der Vorteil einer einheitlichen Rechtsprechung und der auf einer
solchen beruhenden Fortbildung des Rechts verloren geht. Das Mittel, die Einheitlichkeit durch
Plenarentscheidungen aufrecht zu erhalten, bewährt sich wohl bei einfacheren, mehr formalen
Rechtsfragen, wie etwa solchen des Prozesses, der Verjährung und ähnlichen, nicht immer aber
bei schwierigen und verzweigten Fragen. Umfassende vom Referenten und Korreferenten als Ver-
tretern der entgegengesetzten Meinungen ausgearbeitete und an die Mitglieder verteilte Referate
geben der Beratung eine sichere Unterlage. Die Debatte selbst vermag, weil die Zahl der Mitglieder
viel zu gross ist, dem Wissen und der Erfahrung der Einze'nen Raum und Betätigung nicht bin-
reichend zu gewähren. Nach gesetzlicher Vorschrift hat das Plenum nicht den Prozess, sondern die
Rechtsfrage zu entscheiden. Die Schwierigkeit liegt hier bereits in der Fassung der zu beantworten-
den Frage und weiter in der Erwägung, ob für künftige vielleicht nicht ganz gleiche Fälle die Ent-
scheidung der Frage passt. Vielfach wird die Entscheidung der Rechtsfrage im einzelnen gegebenen
Fall zweifellos richtig und treffend sein, die durch die Plenarentscheidung aufgenötigte Generali-
sierung aber bedenklich erscheinen und später zu einem geistigen Zwange oder zu einer neuen ab-
weichenden Pienarentscheidune führen.
Aus diesem sehr berechtisrten Grunde hat man der Vermehrung der Senate ernstlichen Wider-
stand entgegenzeesetzt, bis zur übermässigen Inanspruchnalime der Kräfte der Richter und bis zu
einer als unmöglich empfundenen Verzögerung der Prozesse. Die zweckmässige Lösung der ange-
deuteten Schwierigkeiten bildet das Problem der Entlastung des Reichsgerich ts.
Eine ideale Auffassung i ist genei«t, die Prüfung aller Endurteile« durch einen höchsten Gerichts-
hof für wünschen-wert zu halten. Die praktische Notwendigkeit zwingt zu einer Begrenzung und