Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

  
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Eugen von Jagemann, Sicherheitspolizei. 
Beamtungen ergeben; insbesondere das Ausweisungswesen fand manche Normierung.?) Für 
Deutschland ist zu unterscheiden: 
DasReichsrech t berührt die Sicherheitspolizei, die an sich kein allgemeiner Kompetenz- 
gegenstand der Gemeinschaft ıst, mehrfach ım Zusammenhang mit andern Rechtsstoffen, insbe- 
sondere mit Freizügigkeit, Presse, Strafrecht, Vereins- und Versammlungswesen, und 
stellt im Verf.-Art. 68 die Zulässigkeit eines Belagerungszustandes von Reichs- (wie auch von 
Landes)wegen fest. Insbesondere sınd dıe Bestimmungen ım St.G.B. über Polizeiaufsicht 
(88 38, 39) und Überweisung an die Landespolizeibehörde (83 361, 362, 
ähnlich zum Teil 181 a, 284) ıhrem Wesen nach sicherheitspolizeiliche, welche gewisse, mit Ein- 
griffen in die Individualsphäre verbundene Massregeln gegen gefährliche oder verkommene Rechts- 
brecher präventiv gestatten. Dagegen steht das deutsche Pressgesetz, abgesehen von 
Anordnungen bei Krieg oder Kriegsgefahr und von einigen Ordnungsvorschriften für die Ver- 
breitung, auf rein repressivem Boden und auch das Reichsvereinsrecht drängte im 
B.G.B., wie ım Spezialgesetz von 1908 den Präventivcharakter wesentlichst zurück;:!°) der 
Sicherheitspolizei ist nur Insofern gedacht, als a) neben dem Reichsrecht über Vereine, Ver- 
sammlungen (und Aufzüge) die allgemeinen (d. h. schon ausserhalb dieses Stoffgebiets gültigen) 
sicherheitspolizeilichen Bestimmungen des Landesrechts Anwendung finden, soweit es sich um die 
Verhütung unmittelbarer Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer an einer Versammlung 
handelt, und b) die erforderliche Genehmigung zu öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel 
oder Aufzügen auf öffentlichen Strassen oder Plätzen wegen daraus zu befürchtender Gefahr für die 
„öffentliche Sicherheit‘ versagt werden kann. 
Ausser diesen persönlichen Rechtssphären hat das Reich eine objektive 
an sich gezogen und gründlichst wegen der Sicherheitspolizei geregelt, im Sprengstoffge- 
setze (1884) nämlich, welches Herstellung, Fabrıkationsbetrieb, Besitz, Handel, Einführung, 
Transport regelt und den nötigen Strafischutz beigibt. 
Insoweit Materien reichsrechtlich geregelt sind, ist damit das Landesrecht, insbe- 
sondere jede Befugnis aus dem dehnbaren Oberaufsichtsrecht des Staats, ausgeschaltet. Im übrigen 
besteht es fort und es kommen daraus namentlich in Betracht: 
1. Als Schranken der Sicherheitspolizei die in manchen Verfassungen statulerten sog. 
Grundrechte über persönliche Freiheit, 
2. die Möglichkeit ausserordentlicher Massregeln auf legalem Weg ın 
besonderen Gefahr- oder Notfällen, 
3. das bestehende Sicherheitspolizeirecht, sowohl dasjenige, welches sich 
für bestimmte Personenklassen, welche ihm näher stehen müssen, oder für einzelne Sachgebiete 
zu einem spezialisierten ausgebildet hat (vgl. IV), als das allgemeine, enthaltend die 
der Polizei gegen jedermann im Lande zukommenden Sicherungsbefugnisse. Als solche werden 
geübt — neben der Möglichkeit, Besitz und Verkauf von Waffen zu verbieten, Öffentliche A u f- 
läu fedurch Befehl zum Auseinandergehen zu beseitigen, in gemeiner Not die (auch durch R.St.G. 
$ 360 Ziff. 10, den sog. Liebesparagraphen geschützte) Aufforderung zur Hilfe, soweit sie ohne er- 
hebliche eigene Gefahr leistbar ist, ergehen zu lassen — ein Haft- undeinHaftungsrecht 
in folgender Weise: 
Es liegt, ganz abgesehen vom strafprozessualen Weg, innerhalb der Gewalt.der Polizei, 
die übrigens an gesetzlich zulässige Auflagen die Geldstraffolge binden und die Aus- 
  
  
  
  
  
   
  
°\) Die ausländischen Gesetze hierüber, unter welchen ein belgisches vom 22. Sept. 1835 den Reigen er- 
öffnete, sind s. v. „Ausweisung‘‘ von Edg. Löning im Handwörterbuch der Staatswissenschaften Bd. II 3. Aufl. 
S. 314 ff. zusammengestellt. Das typische Land der Asylfreiheit, Grossbritannien, regelte 1905 die Materie, indem 
es zwar die Ausweisung aus politischen Gründen nach wie vor ausschliesst, aber bei Aufenthalten Fremder unter 
einem Jahr, ferner strafrechtlich und für ‚‚indesirable aliens‘“ auf Grund eines limitativen Katalogs manchartiger 
Anlässe zulässt. Die Schweiz (Bundesverf. Art. 70) behieltsich auf diesem Gebiet eine freie Bewegung vor. Das Institut 
de droit international gab dem Bestreben völkerrechtlicher Regelung durch Entwurf eines Statuts 1892 Ausdruck. 
10) Vgl. Abschnitt 16 dieses Handbuches und R.Ver.Ges. $$ 1 und 7; auch schon R.Ges. vom 11. Dezember 
1899 zur Aufbebung landesrechtlicher Koalitionsverbote. 
  
  
 
	        
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