Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

Eugen von Jagemann, Sicherheitspolizei. 
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führung durch Dritte auf Kosten des renitenten Pilichtigen bewirken kann, äussersten Falls 
zum persönlichen Zwang zu greifen. Demgemäss gestatten ihr dıe Landesrechte!!), 
zur Beseitigung ordnungswidriger Zustände (Gefahr, Öffentliche Unsitt- 
lichkeit, Tumult), selbst Verhaftungen, im Sinne einer polizeilichen Verwahrung (also weder 
Untersuchung, noch Strafe, sondern Sicherung oder Zwang) oder auch Konfinationen, 
wie z. B. bei der Quarantäne. Selbstverständlich ın der Dauer nie über den Fall hinaus, unter 
gleichzeitiger Fürsorge für die tunlichst frühe Behebung des Haftgrunds, auch unter gesetzlicher 
Statuierung von Zeitmaximen und vor allem mit der Grundregel, dass persönlicher Zwang nicht 
angewendet werden darf, wenn die Wirkung auf anderm Weg erreichbar. Er kann auch zur Siche- 
rung des Verhafteten selbst oder seiner Ausweisung geschehen. 
Ein Haftungsrecht aus sicherheitspolizeilichen Gründen zu schaffen, entschlossen 
sich viele deutsche Territorien nach den Bewegungsjahren 1848/9. Es sind die sog. Tumult- 
gesetze.?) Die Unmittelbarkeit und häufige Vermögenslosigkeit der Schadenstifter bei Zu- 
sammenrottungen führte dazu, die Gemeinden des Tatorts privatrechtlich für den Ersatz haftbar 
zu machen unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts, dass sie für die Aufrechterhaltung der Ruhe 
und Ordnung in ihrem Bezirk die öffentlich-rechtlich Verpflichteten sınd. 
Dem Landesrecht gehört endlich die gesamte Personalorganısationan,in recht- 
licher und finanzieller!®) Hinsicht. Das Recht der Zivilbehörde, Militär zu Sicherheitszwecken, 
beizuziehen, ist vielfach in Militär-Konventionen, der Waffengebrauch überhaupt in Spezialgesetzen 
geregelt. Die geheime Polizei,!4) früher Hauptquelle der Ausgaben, steht gegenüber der öffentlich 
auftretenden (Gendarmerie, Schutzmannschaft) nun ganz im Hintergrund. Der Sicherheitsdienst 
in den Gemeinden, ihre Pflicht zur Haltung von Polızeipersonal, oft auch von Nachtwachen zur 
Sicherung gegen Diebstahl und Feuersgefahr, beruht teils auf staatlichen Auflagen, teils auf dem 
Gemeinderecht; in grösseren Plätzen führt auch der Staat gegen Ersatz da und dort diesen Dienst- 
zweig. Als höchste Ressortstelle erscheinen regelmässig die Ministerien des Innern; eine nach- 
ahmenswerte Organisation besitzt Belgien, indem die Generaldirektion der öffentlichen Sicherheit 
mit derjenigen der Gefängnisse vereinigt Ist. 
  
IV. Besondere Aufgaben. Hinsichtlich der allgemeinen Gefahren kommt zu 
den alten Sachgebieten (Feuer-, Wasser-, Bau-, Verkehrspolizei) ständig Neues hinzu durch 
neue Stoff- und Kraitverwendungen: Fahrstühle und -räder, Automobile und Luftschiffe, — 
Petroleumtanks, Azetylen und Elektrizität, — selbst Brieftauben, Hutnadeln und das Rodeln — 
alles setzt sich in Sicherheitsvorschriiten und -kontrollen um, 
Stetiger sind de Personenkreise, denen besondere Beobachtung, Überwachung 
und sicherheitspolizeilicher Zwang sich zuwendet; es treten hier drei Hauptgruppen hervor: 
1. Während der einheimische Sesshafte als persönlich bekannt gilt, kannımreisenden oder 
dochflottierenden Volksteilundim Fremden Verdächtiges verborgen sein. Pass- und 
Meldewesen, ersteres schon 1867 vom Norddeutschen Bund (mit Aufhebung des Passzwangs, 
nicht aber jeder Legitimationspflicht) geregelt, sowie dıe Gesindepolizei leisten hier eine bei uns 
leichte, massvolle Kontrolle, welche ın Gährungs- und Kriegszeiten zum Passzwang verschärft 
werden kann; in einzelnen ausserdeutschen Ländern aber besteht auch ım Frieden grosse Plage 
damit. Während der Ausländer im Grundsatz ausweisbar 1st,'5) besteht das Gegenteil für den 
  
  
  
11) Vgl. Seuffert im Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts II S. 671 ff. und als Einzelbeispiel 
Schlusser-Müller, badisches Polizeistrafrecht, Kommentar bei $$ 30, 31. 
12) Zusammengestellt in Meyer-Dochow, Deutsches Verwaltungsrecht $ 46 Anm. 13. Vgl. dazu Möricke, 
die deutschen Tumultgesetze (Berlin, ‚Rothschild 1909). 
13) Der Versuch, in den Polizeietats Mannschaft und Ausgaben für Sicherheitspolizei auszusondern, 
würde in vielen Beriehungen erfolglos sein. 
14) Vgl. v. Mohl a. a. O. S. 478-496. 
15) Ausländische Arbeiter, unter welchen durch Fleiss und Sparsamkeit die Italiener sich auszeichnen 
stellen oft Massenansammlungen dar, welche aber mehr die Gesundheits-, als die Sicherheitspolizei beargwöhnt, 
z. B. wegen der Lücke im Impfwesen. Man pflegt für den Aufenthalt Legitimationskarten mit verschiedener Farbe 
nach der Nation auszustellen.
	        
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