Eugen von Jagemann, Sicherheitspolizei. 177
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die Beteiligung an Revolution, wie durch eine traurigste Kette von Einzelattentaten auf Herrscher,
Minister, Polizeibeamte, so dass namentlich die Reisen von Staatschefs seitdem ein Gegenstand
besonderer Sicherheitsfürsorge wurden. Wie gegen das professionelle Verbrechertum, soweit es
internationaler Art ist, so kann erfolgreich auch gegen diesen Kreis nur durch allgemeinen, zentra-
lisierten, technisch ausgebildeten Nachrichtenaustausch, welcher Erhebliches zum Voraus signali-
siert und die Erkennung an jedem Ort tunlichst verbürgt, gewirkt werden. Von einem bestehenden
Ausweisungsrecht wird hier stets Gebrauch gemacht.
V. Richtpunkte der Politik können verständiger Weise nur die beiden, sacngemäss zu ver-
bindenden Elemente sein, welche nur scheinbar sich ın dıeser Materie gegenüberstehen:
1. Der sichere Schutz des Staatsganzenund der Rechtsordnung,
sowie die tunlichste Garantie der Rechtsgüter und der Unversehrtheit des gefährdeten Ein-
zelnen,
2. die Vermeidung unnötiger Eingriffe ın die Freiheitssphäre
des sicherheitspolizeilich zu beobachtenden oder anzufassenden
Indivıduums.
Die Ausgleichung dieser beiden Grundrichtungen ist nicht möglich durch Lehrsätze von
allgemeiner Gültigkeit; auch die Parteirichtungen geben keine feste Lösung dafür, obschon manch-
mal der Liberalismus mehr die ındıvıduelle Freiheit, Konservative mehr das Schutzbedürfnis und
die Staatsbefugnisse dazu betonen. Die Hauptsache ist, dass Anlässe, Personenkategorien, Orts-
und Zeıtverhältnisse wechselnde Notwendigkeiten und Möglichkeiten ın gar ver-
schiedener Gestalt und Folge ergeben. Darnach wird ın der praktischen Politik dann abwägend
gehandelt und selbst der Eindruck krasser Einzelfälle, von denen man nachträglich glaubt, sie wären
durch Sicherheitspolizei abwendbar gewesen, kann weittragend wirken. Als nächste Fragen der
Art, welche bei uns aufgerollt zu werden scheinen, darf man nach öffentlichen Nachrichten (1913)
erwartendie reichsrechtliche Regelung des Rechtszum Walffenbesiıtz,
um ihn vorkehrend bei Geisteskranken oder sonst Sicherheitsgefährlichen auszuschliessen, und
die Erwägungeines Präventivschutzes gegen antideutsche Bestrebungen
in unseren Grenzländern; doch sind hierüber endgültige Dinge noch nicht zu
berichten.
Im Allgemeinen darf ferner bemerkt werden: Mag auch der Ausbau des Polizei-
rechts ım Einzelnen noch wünschenswert sein, so kann man doch Erschwernissen der
Anordnung und Exekutive nicht das Wort reden, wenn sıe lähmcend wirken; schon der häufige
Streit über die Giltigkeit von Polizeinormen ist unerwünscht. Vielmehr muss man die Vervoll-
kommnung der Mittel (auch Besserung des Fahndungs- und Nachrichtenwesens, Vorbildungsein-
richtungen usf.) wünschen, ebenso einen staatlichen die Polizei stützenden Sinn des Publikums,
wie in England.
Auch kann man nicht de Aufhebung der geheimen (Detektiv-)Polizei,
empfehlen, mit der freilich Gefahren verbunden sind (Provokation, Denunziation, Erfindungen
und andere unerlaubte Mittel), dıe in der öffentlichen Meinung zu berechtigter Kritik und Ab-
neigung führen können. Es ıst aber klar, dass ‚‚ein Agent, welcher nicht als solcher bekannt Iıst,
vıeles bemerken und erfahren kann, was einem Öffentlich auftretenden Beamten verborgen bleibt‘
(v. Mohl), und der Ausschreitung vermag man seitens der Vorgesetzten vorzubeugen. ‚Kein Staat
kann die politische Polizei ganz entbehren und sie ist Schutz der bürgerlichen Freiheit, wenn sie
in Schranken des Gesetzes sich hält‘ (E. Löning).
In der Aufsichts- und Ausweisungspraxis Ist zu erstreben, dass die An-
wendung der staatlichen Fakultäten, wo ıhr kein ernstlicher polizeilicher oder ökonomischer Grund
zur Seite steht, also auf blos formale Gründe hin, unterbleibe; insbesondere scheint es, als ob die
Ausweisung Fremder, im Frieden, der Beschränkung da oder dort ohne Schaden fähig sei. Auch
hört man über unschonlichen Vollzug öfters klagen; erhellt auch daraus nicht die Berechtigung
der Klage, so liegt doch Grund zu sorglicher Prüfung vor, ob nicht der Zweck schon in minderen
Modalitäten erreichbar sei.
Handbuch der Politik. II. Auflage. Band III, 12