Hans Plehn, Der britische Imperialismus.
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gegen Russland gerichtet gewesen, und sein eigentlicher Zweck war durch die englisch-russische
Entente und die jJapanısch-russische Annäherung (1910) obsolet geworden. In dem neuen englisch-
japanischen Vertrage (1911), der auf der Reichskonferenz die Zustimmung der kolonialen Premier-
minister fand, wurde das Bündnis erneuert, aber mit der Einschränkung, dass der casus foederis
nicht gegen eine Macht eintreten solle, mit der eine der vertragschliessenden Parteien einen allge-
meinen Schiedsvertrag geschlossen hätte. Und der Plan eines allgemeinen englisch-amerikanischen
Schiedsgerichtsvertrages, der freilich von dem amerikanischen Senat nicht bestätigt wurde, liess
erkennen, dass England den Wunsch hatte, von seiner Bündnispflicht in einem Konflikt zwischen
Japan und den Vereinigten Staaten befreit zu werden.
b) Der britische Imperialismus.
Von
Dr. Mans Plehn, London.
Literatur:
Sir Charles Dilke, Problems of Greater Britain, 1890. —C.H. Fuchs, Handelspolitik Englands
1893 — A. Zimmermann, Kolonialpolitik Grossbritanniens 1898, 1899. — The Empire and the Century 1905.
— H.v.Schultze-Gävernitz, Britischer Imperialismus und englischer Freihandel 1906.— M.J.Bonn,
Die Organisation des britischen Weltreichs (Grundfragen der englischen Volkswirtschaft: 1. Heft der Veröffent-
lichungen der Handelshochschule München). — Richard Jebb, studies in colonial nationalism 1904. —
Richard Jebb, the Imperial Conferences 1911. — Richard Jebb, the Britannic question 1913. —
J. A.Spender, the foundations of British policy. 1912. — Lord Esher, the Committee of Imperial
defence. 1912. — Sidney Low, Constructive Imperialism (Fortnightly Review, Juli 1913). — Sidney
Low, the problem of an Imperial Executive. (Nineteenth Century, August 1913.) — Die Vierteljahrschrift
‚The Round Table‘. — Marinerundschau 1907, Heft 7. 1910, Heft 1. 1911, Heft 10.
Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts waren beide grossen politischen Parteien Englands,
Konservative und Liberale, von der Auffassung der Manchesterschule beherrscht, dass die Kolo-
nien, sobald sie eine gewisse Entwicklungsstufe erreicht hätten, dem Beispiel Nordamerikas folgen
und sıch von dem Mutterlande losreissen würden. Kanada hatte bereits seine eigene parlamen-
tarısche Regierung erhalten; man gewährte sie nun auch den übrigen Sıedlungskolonien, sobald
sie die finanziellen Grundlagen dazu besassen. Durch den Übergang Englands zum Freihandel
hörte die alte auf der Schutzzollpolitik beruhende Kolonialverfassung auf zu bestehen, ohne dass
etwas anderes an ihre Stelle gesetzt wurde. Die Kolonien erhielten auch Autonomie in der Zollgesetz-
gebung. Der Imperialismus war die Reaktion auf diese manchesterliche Auffassung und Politik;
er verneinte die Notwendigkeit der Trennung und stellte sich gerade zur Aufgabe, die Verbindung
der Kolonien mit dem Mutterlande enger zu gestalten; denn bereits das blosse Fortbestehen der
gegenwärtigen Verhältnisse schien die Reichseinheit zu gefährden. Der Imperialismus begann als
literarıscheBewegung; ı. J. 1869 erschien Sir Charles Dilke’s ‚Greater Britain‘, in den 80er Jahren
Froude’s ‚Oceana‘ und Seeley’s ‚Expansion of England‘. I. J. 1884 wurde die Imperial Federation
League gegründet. Der Verein bestand aus Mitgliedern beider Parteien und schloss Parteipolitik
aus, blieb aber eben deshalb, da in England alle Staatspolitik zugleich auch Parteipolitik ıst, ohne
Einfluss auf die Entschlüsse der Regierung. Drei Möglichkeiten schienen vorhanden zu sein, um eine
Konsolidierung des Reichs herbeizuführen. Die eine war, eine neue bundesstaatliche Reichsver-