Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

  
Fritz Stier-Somlo, Die deutsche Arbeiterversicherung. 
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abgelaufene Zeiträume zu gewähren sind, 4. Heilanstaltspflege, 5. Angehörigenrente, 6. Sterbegeld, 
7. vorläufige Renten, 8. Neufeststellung von Dauerrenten wegen Anderung der Verhältnisse, 9. 
Kapitalabfindung, 10. Kosten des Verfahrens. Damit ıst allerdings eine wesentliche Entlastung des 
R.V.A. von sogen. kleinen Gradsachen herbeigeführt, und es sind Kräfte für die vielen, dem R.V.A. 
durch die R.V.O. neu erwachsenden Aufgaben freigestellt. (Monatsblätter für Arbeiterversicherung 
1911 8. 98—99). 
Eine besonders wichtige Neuerung trıfft die Ansammlung des Reservefonds der 
Berufsgenossenschaft. Der $ 34 G.U.V.G. war schon seit längerer Zeit Gegenstand berechtigter 
Anfechtung, sowohl vom speziellen Standpunkte der Träger der Unfallversicherung aus, wie von 
allgemein finanziellen Gesichtspunkten. Nach den Rechnungsergebnissen für das Jahr 1907 betrug 
die Gesamtsumme der Rücklagen der gewerblichen Berufsgenossenschaften (mit Ausnahme der 
Tiefbau- und der Schmiedeberufsgenossenschaft) 241 796 Mill. Mark. Diese Summe würde nach den 
Vorschriften des $ 34 G.U.V.G. bis zum Jahre 1921 erhöht werden müssen auf 585084 Mill. Mark; 
somit würden der Industrie entzogen werden weitere 294 Mill. Mark, was, da die Industrie ihr 
werbend angelegtes Kapital durchschnittlich mit 6% verzinst, während die Anlegung von Staats- 
papieren nur zu 31,% stattfinden könnte, einen jährlichen Verlust von 71, Mill. Mark bedeutet. 
Nach dem bisher geltenden Rechte sind vom Jahre 1901 ab dem jeweiligen Bestande des Reserve- 
fonds je 3 Jahre lang 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4% zuzuschlagen unter Einrechnung der Zinsen des Reserve- 
fonds. Vom Jahre 1921 sind aus den Zinsen des Reservefonds diejenigen Beträge zu entnehmen, 
die erforderlich sind, um eine weitere Steigerung des auf eine jede versicherte Person entfallenden 
Umlagebeitrages zu beseitigen. Der Rest der Zinsen ist dem Reservefonds ohne zeitliche Beschrän- 
kung weiter zuzuschlagen. Die Vorschriften des Entwurfs von 1909 wollen demgegenüber eine Ver- 
besserung. Nach Ablaufdererstenelf Jahre und sofern das elite Jahr beim Inkrafttreten des G.U.V.G 
schon überschritten war, vom Jahre 1901 sollen die Zuschläge für die Rücklagen so bemessen werden, 
dass in den folgenden 21 Jahren der Kapitalbestand das Dreifache der Entschädigungssumme erreicht, 
die in demjenigen Jahre zu zahlen ist, für welches der letzte Zuschlag erhoben wırd. Man war also 
grundsätzlich abgegangen von der Idee einer Erhöhung des berufsgenossenschaftlichen Reservefonds 
zu dem Zwecke, um den durch Unfälle verletzten Arbeitern eine genügende Sicherheit hinsichtlich 
der zu gewährenden Entschädigung zu bieten, denn die grösste Garantie liegt in der Leistungsfähig- 
keit der Industrie in ihrer Gesamtheit, äusserstenfalls in der Bürgschaft des Reiches. Man begrün- 
dete jetzt die Ansammlung starker Rücklagen lediglich damit, dass bis zum Eintritt des Beharrungs- 
zustandes infolge der alljährlich zunehmenden Zahl der Rentenempfänger auch die Höhe der von den 
Betriebsunternehmern zu zahlenden Umlagebeiträge stetig wachse und dass es deshalb ım Interesse 
der Industrie selbst geboten sel, gegenwärtig grössere Kapitalien anzusammeln, um dann aus den 
Zinsen derselben Zuschüsse zu den Umlagebeiträgen zu leisten und deren weiteres Anwachsen zu 
verhindern. 
Nach der Reichsversicherungsordnung haben die Berufsgenossenschaften auch in Zukunft 
Rücklagen anzusammeln. Sıe werden gebildet durch Zuschläge zu den Entschädigungsbeträgen. Es 
werden erhoben beider ersten Umlegungdreihundert, der zweiten zweihundert, derdritten einhundert- 
fünfzig, der vierten einhundert, derfünften achtzig, der sechsten sechzig vom Hundert; beider sieben- 
ten bıs elften Umlegung werden dann jedesmal 10 vom Hundert weniger erhoben. Auch die Zinsen 
fliessen der Rücklage zu. Nach den ersten 11 Jahren, oder wenn diese Zeit beim Inkrafttreten des 
Gewerbeunfallversicherungsrechts schon abgelaufen war, vom Jahre 1901 an werden die Zuschläge 
so bemessen, dass in den folgenden 21 Jahren der Kapitalbestand das Dreifache der Entschädigungs- 
summe erreicht, die in dem Jahre des letzten Zuschlags zu zahlen ist. Müsste eine Genossenschaft 
ın den 21 Jahren unverhältnismässig hohe Zuschläge erheben, so kann das Reichsversicherungsamt 
dıe Frist um höchstens 10 Jahre verlängern. Es bestimmt die Höhe des Zuschlags, den die Ge- 
nossenschaft zu erheben hat. 
Die Zinsen der Rücklage, die in der Zwischenzeit ($ 743) erwachsen, können zur Deckung der 
laufenden Ausgaben verwendet werden. Aus den Zinsen nach Ablauf dieser Zeit sind die Beträge zu 
entnehmen, die erforderlich sind, um zu verhüten, dass die Umlegebeiträge, die nach den Erfahrungen 
künftig durchschnittlich auf je einhundert Mark des verdienten Entgelts fallen, weiter steigen. Der 
  
  
  
  
 
	        
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