47
Fritz Stier-Somlo, Die deutsche Arbeiterversicherung.
Auf dem Gebiete der Seeunfallversicherung endlich wurden gegenüber dem
jetzigen Rechtszustande nur geringfügige Verbesserungen beigefügt. Für den Kleinbetrieb der See-
schiffahrt sowie für Seefischerei mit Fahrzeugen, die der Bundesrat nicht schon als Hochsee-
fischereidampfer oder Heringslogger der Unfallversicherung unterstellt hat, endlich für Fischerei
mit Fahrzeugen, die auf Gewässern verkehren, welche mit ‘der See verbunden sind, wird eine be-
sondere Zweiganstalt vorgesehen. Die auf deutschen Seefahrzeugen, auf inländischen Kanälen
und Flüssen beschäftigten Personen unterliegen in Zukunft nach den Kommissionsbeschlüssen dem
See-U.V.G. Nach diesen soll auch jeder Flaggenwechsel dem Versicherten mitgeteilt werden. Die
Bestimmungen über die Ausländer werden denjenigen in dem gewerblichen U.V.G. angepasst.
Ferner können Ausländer mit dem dreifachen Betrage der Jahresrente abgefunden werden. Die
Bestrafung eines Versicherten soll nicht erfolgen, wenn er in Ausführung eines Befehles seines Vor-
gesetzten den Vorschriften zuwidergehandelt hat.
IV. Invalidenversicherung.
Auf dem Gebiete der Invalidenversicherung sind zunächst einige Neuerungen
hinsichtlich der Ausdehnung des Kreises der Versicherten zu verzeichnen.
Die Gehilfen und Lehrlinge ın Apotheken sollen ebenso wie bei der Krankenversicherung
unter das Gesetz fallen, und auch das Bühnen- und Örchesterpersonal soll obligatorisch
ohne Rücksicht auf den Kunstwert der Leistungen einbezogen werden. Der in$1Nr.21.V.G.
gewählten Fassung steht dıe des $ 1226 Nr. 2R.V.O. gegenüber, jedoch unter Fortlassung des
Wortes ‚Techniker‘; dies bedeutet, dass sie nicht, wie bisher, unter allen Umständen,
sondern nur dann versicherungspflichtig sind, wenn sie nıcht zu den höheren Geistesarbeitern ge-
hören. In dieser Richtung ist auch der $ 1238 bemerkenswert, der dıe Befreiung von Personen mit
Hochschulbildung (besonders der Diplomingenieure) auf Antrag vorsieht. Der $ 1 J.V.G. spricht
auch von „sonstigen Angestellten, deren dienstliche Beschäftigung ıhren Hauptberuf bildet‘.
Die R.V.O. $ 1226 Ziff.2 hat eine neue Fassung: Andere Angestellte ın ähnlich gehobener Stellung,
wenn diese Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet, sınd für versicherungspflichtig erklärt. Eshandelt
sich um Personen, die über dem gewöhnlichen Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrling und Dienst-
boten stehen, aber unter den Arbeitern mit höherer geistiger Beschäftigung. Dass aber dıe Be-
schäftigung den H a up t beruf bilden muss, bedeutet eine Verengung des Kreises der Versicherten.
Nicht nur die dauernd, sondern auch die vorübergehend ınvalıden Personen, sınd jetzt, wie sich
aus $ 1236 ergibt, versicherungsfrei. Verwiesen wird auf $$ 1255, 1258; in jenem ist Invalidität zum
Erwerb einer Invalıiden-, hier einer Witwenrente definiert. Als vorübergehend invalıde galt nach bis-
herigem Recht, wer es ununterbrochen 26 Wochen lang gewesen ıst. Jetzt auch, wer esnach Wegfall
des Krankengeldes 1st,
Die Zusatzversicherung ist die wichtigste, wenn auch bereits viel angefochtene
Neuerung des Gesetzes. Zunächst ist es ihre Absıcht, den Wünschen des Mittelstandes entgegen-
zukommen, durch freiwillige Weiterversicherung höhere Renten erwerben zu können. Eingeführt
ıst dıe Verwendbarkeit einer besonderen Zusatzmarke. Die einmalige Einzahlung für den Erwerb
einer alljährlich bis zum Eintritte der Invalidität um denselben Betrag steigenden Rente ist in der
hauptsächlich ın Frage kommenden Altersjahren im allgemeinen beständig. Der Wert der Zusatz-
marke beträgt 1 Mark. Für jede Zusatzmarke wird der Betrag von 2 Pfennig als Jahresbetrag der
Zusatzrente soviel Mal gewährt, als beim Eintritt der Invalidität Jahre seit Verwendung der Zusatz-
marken verflossen sind. Wenn z. B. ein Versicherter in den Altersjahren 25—55 allmonatlich einen
Zusatzbeitrag von 1 Mark zahlt, so erhält er beim Eintritt der Invalidität eine Zusatzrente von jähr-
lıch 119,04 Mark, wofür er in den 31 Jahren insgesamt 372 Mark eingezahlt hat. Tritt Invalidität
nicht bereits im Alter von 56 J ahren, sondern erst im Alter von 65 Jahren ein, so berechnet sıch eine
Zusatzrente für den Fall, dass er nach dem 56. Lebensjahre nicht noch weiter Zusatzbeiträge zahlt,
auf 186 Mark. Zahlt er in den Jahren 56—64 weitere Zusatzbeiträge von monatlich 1 Mark, so
berechnet sich der Anspruch auf 196,80 Mark.