Georg von Schanz, Arbeitslosenversicherung. 39
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dem Lohndruck wıe er durch das allzudrängende Angebot der Arbeitslosen entsteht, zu begegnen
und die Mitglieder fester an die Fachvereine zu ketten und nicht bloss solange, als es sich darum
handelt, eine Lohnbewegung durchzuführen oder einen Angriff der Unternehmer abzuwehren.
In Deutschland zahlten die freien Gewerkschaften 1909 Orts-, Reise- und Umzugsunterstützung
10,0 Mill. M., die Hirsch-Duncker’schen Gewerkvereine 0,375 Mill. M., die christlichen 0,195 Mill. M.
Ein Vorzug der gewerkschaftlichen Arbeitslosenversicherung ist, dass ihre berufliche Gliederung von
selbst ein ziemlich gleichartiges Rısıko darstellt, also dıe Schwierigkeit der Abstufung in Wegfall
bringt, ferner dass unter den Mitgliedern enge Fühlung besteht, was dıe Kontrolle erleichtert, sowie
dass die zentrale Organisation mit ihren Unterstellen eine bedeutende Vereinfachung der Ver-
waltung in sich schliesst. Der Versicherungsbeitrag ıst ein Lohnbestandteil, wie er es streng genom-
men sein soll; er tritt aber nıcht gesondert auf, sondern liegt im Gesamtbeitrag für die Organi-
sation. Die Versicherung ist für dıe Mitglieder obligatorisch, aber der Beitritt zu einer Organisation
ist freiwillig. Das Klassenbewusstsein und Klasseninteresse überbrückt hier manche Unebenheiten.
Die Schwäche der gewerkschaftlichen Arbeitslosenversicherung liegt darin, dass nurdie Minderheit der
Arbeiterschaft organisiert ıst und dass auch bei dieser der Arbeitsnachweis — wenigstens in Deutsch-
land — nur sehr mangelhaft funktioniert.
Von Frankreich und Belgien aus setzte ın den 1890er Jahren eine Bewegung ein, welche die
gewerkschaftliche Arbeitslosenversicherung durch Subventionen zu fördern sucht. Staat,
Provinzen und Gemeinden beteiligen sich. Dieser Vorgang hat auch in Holland, Luxemburg und
Italien Nachahmung gefunden; ın Norwegen hat ein Ges. v. 12. Juni 1906, bezw. 15. Aug. 1911, in
Dänemark ein Ges. v. 9. Aprıl 1907 die Subvention geregelt; in Deutschland haben die Städte Strass-
burg (1907) und einige Nachbargemeinden, ferner Mühlhausen und Erlangen (1909), Freiburg ı. B.,
Schöneberg (1910), Schwäbisch-Gmünd (1911), Stuttgart (1912), Kaiserslautern, Feuer-
bach, Esslingen, Mannheim, Offenbach a. M. (1913), in der Schweiz die Kantone Genf (Ges.
v. 6. Nov. 1909), Basel-Stadt (Ges. v. 16. Dez. 1909), St. Gallen (1911), Appenzell (1912) das
Subventionswesen eingeführt. Die Subvention wird an gewisse Bedingungen geknüpft, um Miss-
bräuche hintanzuhalten, zuweilen getrennte Kassenverwaltung verlangt, in Dänemark — und auf
demselben Boden steht ein finnländischer Entwurf von 1911 — ist die Arbeitslosenkasse ein voll-
ständig selbständiges rechtliches Gebilde. Die Subvention fällt entweder der Kasse als solcher zu
oder sie wırd den Arbeitslosen selbst, wenn auch durch Vermittlung der Verbände, die die
' blossen Zahlstellen bilden, zugewendet. Ersteres ıst der Fall ın Norwegen, Dänemark, Luxem-
burg, Lüttich, Basel, das letztere ın Gent und zahlreichen belgischen und holländischen Ge-
meinden, in Genf, Strassburg, Mühlhausen, Erlangen, Freiburg. Der letztere Weg hat dazu beige-
getragen, dass man die Bedenken leichter fallen liess, die man gegen die Subventionierung der Organı-
satıonen hatte, aber es wırd dıese Lokalisierung da, wo nationale Arbeiterorganısationen bestehen,
bereits lästig empfunden und als zu bürgerlich-individualistisch bekämpft; die Unterstützung
des einzelnen Arbeitslosen hat nach dieser Ansicht zu sehr den Wohltätigkeitscharakter. Das erstere
System lässt den Gewerkschaften etwas grössere Freiheit und macht es auch möglich, dass man die
Subventionen gleichzeitig nach den Beiträgen und den Unterstützungen bemisst; das ist insofern
vorteilhaft, als Berufsgruppen, welche ın normaler Zeit sogut wie keine Arbeitslosigkeit haben,
gleichwohl im Masse ıhrer Beiträge Zuschüsse erhalten und dadurch sich rüsten können für die Zeit
der Krisen. Das System der individuellen Unterstützung braucht wenig Mittel in normaler Zeit,
aber sehr viel in Zeiten von Krisen, stellt auch seine Tätigkeit ein gegenüber Kassen, deren Mittel
erschöpft sind. Hat man aber einen gesonderten Fonds, der mit einer gleichbleibenden Summe
seitens einer öffentlichen Körperschaft gespeist wird, so kann man in normaler Zeit Erübrigungen
machen für dıe Perioden, in denen mehr Unterstützungen notwendig sind. Dieses Verfahren liest
auch im Interesse der subventionierenden Körperschaften. Bedenklich ist es aber, wenn, wie es nach
dem Lütticher System zu geschehen scheint, die Bemessung der Zuschüsse nach der Gesamtheit
der gewerkschaftlichen Mitgliederbeiträge sich richtet, da darin Quoten stecken, welche gar
nicht der Arbeitslosenversicherung dienen.
Das Zuschusssystem, das lediglich an die gewerkschaftliche Arbeitslosenversicherung
anknüpft, legt überhaupt den Vorwurf nahe, dass man einseitig nur bestimmte Kategorien von