Georg von Schanz, Organisation des Arbeitsmarktes,
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epidemisch machte, entzog eine Reichspolizeiordnung von 1530 den Gesellen das Recht, den Wan-
derern Arbeit zu besorgen und sprach dasselbe dem jüngsten Meister, dem sog. Zunftwirt zu.
In der Industrie haben die organisierten Arbeiter sich gleichfalls bemüht, den Arbeitsnach-
weis an sich zu ziehen, um möglichst ıhre Mitglieder in die freien Stellen zu bringen, ihre Unter-
stützungskassen zu entlasten und die Arbeitgeber mit dem Damoklesschwert der Arbeitersperre
im Schach zu halten. In England ıst dies den Gewerkvereinen teilweise gelungen; in Deutschland
ist dies weniger der Fall!) Wohl aber betätigen sich in ausgedehntem Masse auf dem Gebiet der
Stellenvermittlung die Handlungsgehilfen, ohne dass sie aber darin von den Prinzipalen bekämpft
werden.
Als die Arbeitgeber sich bewusst wurden, welche Gefahr dıe Beherrschung des Arbeitsmarkts
seitens organisierter Arbeiter ihnen brachte, säumten sie nicht sowohl im Handwerk, als besonders
in der Grossindustrie energisch sıch zu wehren. Sie wollter sıch die Möglichkeit verschaffen, kon-
traktbrüchige und unruhige Arbeiter auszuschalten, und zu verhindern, dass streikende Arbeiter
bei anderen Arbeitgebern eingestellt werden. Der Arbeitsnachweis sollte ihnen als eine Art Mass-
regelungsinstitut dienen. Der Anstoss dıeser Bewegung ging von Hamburg aus, wo der Verband
der Eisenindustriellen 1889 einen Arbeitsnachweis in Form eines Kontrollbureaus einführte. Mit
der raschen Zunahme der Arbeitgeberverbände fassten auch deren Arbeitsnachweise immer festere
Wurzel und dehnten sich rasch aus.”) In der Metall- und Textilindustrie, im Bergbau, auch imVer-
kehrs- und Baugewerbe spielen sie eine grosse Rolle. Man spricht von einem Berliner und einem
Hamburger System: nach ersterem dürfen die Arbeitgeber unmittelbar Arbeitsuchende anstellen,
doch müssen diese einen Nachweisschein vorher oder nachher erheben, der ausgestellt wird, wenn
der Arbeiter sıch über Art und Dauer seiner bisherigen Tätigkeit genügend ausweisen konnte; AÄr-
beitsscheue,Trunkenbolde, Streikende können so ausgeschiecenwerden. Strenger ist das Hamburger
System, das überwiegt. Die Mitglieder dürfen nur Arbeiter einstellen, welche der Arbeitsnachweis
ihnen zuweist. Um die Mitglieder gut bedienen zu können, müssen sie detaillierte Angaben über die
Art und das Alter der verlangten Arbeiter und der täglichen Arbeitszeit machen. Die Arbeitsuchen-
den müssen sich über ihre Kranken- und Invalidenver:icherung ausweisen, den letzten Entlassungs-
schein und Zeugnisse vorlegen, Minderjährige ihr Arbeitsbuch. Über jeden sich meldenden Arbeiter
wird eine Personalkarte geführt, welche Namen, Geburtsort und Geburtsdatum, sowie die Firmen
ersehen lässt, bei denen er beschäftigt war und wann. Man kan sich also rasch über den Be-
treffenden orientieren. Bei der Zuweisung ist nicht die Reihenfolge der Anmeldung, sondern in erster
Linie ihre Geeignetheit massgeberd, unter mehreren Passenden wird aber der verheiratete, und
unter diesen der am längsten Gemeldete berücksichtigt. Die Tüchtigsten haben also die besten
Chancen. Die Arbeitgebernachweise haben das Verdienst, das leidige Umschauen eingeschränkt
und Angebot und Nachfrage in ihrem Gebiet mehr zentralisiert zu haben. Die Leitung ist sehr
fachkundig, denspeziellen Bedürfnissen, die sich oft sehr differenzieren, weiss sie gerecht zu werden;
man kommt mit wenigen technischen Beamten aus, da man es nur mit je einer Industrie zu tun hat.
Die Arbeitgebernachweise wurden und werden aber noch stark angegriffen oder wenigstens mit
Misstrauen angesehen; doch haben sie sich vielfach in neuerer Zeit dazu verstanden, eine unpar-
teıısche Handhabung zu versprechen und sogar paritätisch ausges altete Beschwe deausschüss»
zuzugestehen, auch die Sperre gegen einzelne (z. B. kontraktbrüchige) Arbeiter zeitlich zu beschrän-
ken. Im Zechenverband ist es der preussischen Regierung gelungen, den Beschwerden der Arbeiter
abzuhelfen.
Im Handwerk sind als Arbeitgebernachweise die Innungsarbeitsnachweise anzusprechen. Sie
können als eine Fortsetzung analvger Einrichtungen aus der Zunftzeit gelten. Seit 1881 ıst der
Nachweis von Gesellenarbeit und die Fürsorge für das Herbergwesen ihnen als obligatorische Auf-
gabe gestellt; eine Novelle von 1897 hat auch die Mitwirkung von Gesellenausschüssen vorgeschrieben.
Eine gros:e Bedeutung kommt im allgemeinen den zersplitterten Innungsnachweisen nıcht zu; etwas
1) O. Michalke, Die Arbeitsnachweise der Gewerkschaften im Deutschen Reich, Berlin 1912.
2) Gerh. Kessler, Die Arbeitsnachweise der Arbeitgeber, Leipzig 1911. Die neuere Entwickl. der
Arbeitgeber- und Arbeitnehmernachweise, Reichsarbeitsblatt 10 (1912) Nr. 11 u. 12.