Einleitung. 309
älteren Gerichtsakten oder den ihnen vorliegenden Polizeiakten, gewisse Grundsätze der
Erörterungstätigkeit an. Sie können sich bei Begabung und Fleiß an ihnen so
ausbilden, daß sie später dem Polizeibeamten ihrerseits überlegen und in der Lage
sein können, in den einzelnen Fällen ihn mit Rat und Tat zu unterstützen und so
den Dank für die genossene erste Anleitung zurückzugeben.
Daß bei dieser so gearteten Tätigkeit des exekutiven Kriminalbeamten von
diesem, wie eingangs hervorgehoben wurde, eine ganze Reihe persönlicher Eigen-
schaften und Kenntnisse gefordert werden müssen, liegt auf der Hand. In erster
Linie sei er ein praktischer und offener Kopf. Ohne eine reichliche Portion gesunden
Menschenverstandes kann er, da er vielfach auf sich selbst angewiesen ist und keinen
andern um Rat fragen kann, seine Aufgabe nicht erfüllen. Er sei ein nüchterner
Denker und kein Phantast. Wie vielfach in den schlechten Kriminalromanen, so
stellen sich meist die Taten der wirklichen Verbrecher nicht dar. Der Kriminalbeamte
sei wahr und ehrlich gegen sich selbst. Er bausche keinen Vorfall, um sich selbst
ein Ansehen zu geben, abenteuerlich auf. Er suche die Menschen zu studieren und
kennen zu lernen; denn ohne Menschenkenntnis verfällt er zu leicht in Irrtümer.
Er lerne Land und Leute seines örtlichen Arbeitsfeldes kennen. Er arbeite
in seinem Berufe ohne Lust am Wehe, das er seinem Mitmenschen zufügen
muß; er fühle jederzeit, daß auch der verworfenste Verbrecher immer doch sein,
wenn auch für dieses Leben vielleicht verlorener Bruder ist, welcher durch geborene
oder erworbene Veranlagung, durch Erziehung, Schicksale und Gelegenheiten des
täglichen Lebens in Schuld geraten ist. Gegenüber der Geringschätzung, welche
vielfach das Publikum dem Kriminalbeamten entgegenbringt, tröste er sich damit,
daß ja diese Geringschätzung in gewissem Sinne rein menschlich aus einer gewissen
Furcht entspringt, der Beamte werde gegebenenfalls auch gegen ihn seine Waffe
kehren, daß diese Geringschätzung ja auch vielfach — z. B. in der Presse verschiedener
Parteien — dem Staatsanwalt und den Strafrichtern zuteil wird. Er tröste sich
damit, daß die Kriminalität eines Volkes eine notwendige Krankheit ist, welche der
verschiedensten Heilgehülfen bedarf. Der Kriminalbeamte behandle das Publikum zwar
mit einer gewissen Bestimmtheit, aber nicht unfreundlich. Dagegen hüte er sich, be-
sonders an kleineren Orten, sich zweifelhaften Personen zu verpflichten. Unabhängig-
keit im Privatleben ist ein wesentliches Erfordernis des Kriminalbeamten. An Kennt-
nissen versuche er in seinen Freistunden sich eine allgemeine Bildung anzueignen.
Der Kriminalbeamte, welcher Anzeigen und größere Berichte anzufertigen hat, lege
auch Wert auf einen glatten Stil. Bei größeren Kriminalbehörden sollte die stilistische
Ausbildung der Exekutivbeamten mit ins Auge gefaßt werden. Ein weitverbreiteter
stilistischer Fehler erhellt aus folgendem Beispiel: „Der Beschuldigte schlug mit dem
in der Hand haltenden (statt gehaltenen) Regenschirm und stach mit dem bei sich
führenden (statt bei sich geführten) Messer“ oder „Der Beschuldigte behauptete
einen in der Rechnung eingeschlichenen Fehler“ statt „Der Beschuldigte behauptete,
in der Rechnung habe sich ein Fehler eingeschlichen.“ Auch die Orthographie und
Interpunktion sind nicht die starke Seite jedes Kriminalbeamten. Von fachlichen Kennt-