Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

334 I. Der exekutive Kriminalbeamte. 
nahme solcher Mitteilungen, die ihm ja oft auch von unberufener Seite zugetragen 
werden, im Interesse der ja auch von ihm oft kritisierten Strafrechtspflege etwas 
vorsichtig sein. 
10. Untersuchungsmethode. 
Der Grundsatz für Auffindung einer Untersuchungsmethode ergibt sich eigentlich 
von selbst: man geht von den durch die Straftat geschaffenen tatsächlichen Um- 
ständen aus, klärt sie nach Kräften auf und zieht dann von allen erlangten Beweis- 
ergebnissen die Schlußfolgerung. Diesen für alle Ermittelungen logisch richtigen Leit- 
faden halte man sich besonders dann ausdrücklich vor, wenn man nicht weiter zu 
kommen glaubt. Dann prüfe man, welche tatsächlichen Anhaltspunkte die Verübung 
der Tat noch bietet, ob sie alle hinreichend aufgeklärt, ob alle Schlußfolgerungen 
gezogen sind, dann wird man die auszufüllende Lücke entdecken. 
Das Ziel der Untersuchung kann entweder sein, einen bestimmten verdächtigen 
Täter zu überführen oder einen unbekannten Täter zu ermitteln. Die erste Aufgabe 
ist selbstverständlich eine leichtere als die letztere. 
Soll gegen eine bestimmte verdächtige Person das Ueberführungsmaterial ge- 
sammelt werden, so hat man die Erörterungen nach folgenden Gesichtspunkten zu 
führen. Hatte der Verdächtige ein Motiv, einen Beweggrund für seine Tat? Das 
Motiv zur Tat ergibt sich vielfach aus ihrer Art oder ihrer Ausführung oder aus 
sonstigen Umständen. Alle diese Punkte sind klarzustellen, z. B. bei Tötung eines 
jungen Mädchens, ob Eifersucht, Rache, Wollust oder Bereicherungsabsicht des 
Täters in Betracht kommen. Kein vernünftiger Mensch handelt ohne solchen Be- 
weggrund. Aber die verschiedenen Menschen lassen sich durch verschiedene Motive 
leichter oder schwerer bestimmen; bei den verschiedenen Straftaten kommen ebenfalls 
verschiedene Motive in Frage; z. B. steht oft bei der Brandstiftung der erstrebte Vorteil 
oder die erlittene Kränkung, welche zur Tat treibt, in keinem Verhältnisse zu der 
großen Gefahr und dem großen Schaden, den der Täter verursacht, weil die Möglich- 
keit, mittels eines einzigen Streichholzes das Feuer ungesehen anzulegen, so leicht 
gegeben ist. Um die Frage nach dem Motive zu entscheiden, muß man Monschen- 
kenntnis haben oder sich zu erwerben suchen. 
Die geläufigsten Motive sind: Notlage, Verführung durch Genossen oder 
gebotene günstige Gelegenheit, Neigung und Gewohnheit zu dergleichen Tun, Hoff- 
nung auf Bereicherung, Habsucht, Trägheit, Wollust und Lüsternheit, die verschiedensten 
Affekte wie Rache, erlittene Kränkung, Zorn, Bestürzung, Furcht, feindselige Gesinnung, 
Bosheit, Schadenfreude, Neid, Eifersucht, Nachahmungstrieb, Heimweh, Ehrgeiz, Eitel- 
keit, Großmannssucht, Uebermut, Wagehalsigkeit, Wunsch, in das Gefängnis zu 
kommen, Angetrunkenheit, Verzweiflung, Absicht, einen andern, der schuldig oder auch 
unschuldig im Gefängnis sitzt — meist wegen Brandstiftung — zu entlasten. 
Bei Prüfung der Frage, ob die Stärke des Motivs im richtigen Verhältnis 
zur Schwere der Tat steht, kommt man auf die Ermittelung des Charakters und
	        
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