Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

338 I. Der exekutive Kriminalbeamte. 
aufgesucht haben, fahren, verschiedentlich halten und den Kutscher sich zeitweise ent- 
fernen. Gewerbsmäßige Ladendiebe kann man oft von Laden zu Laden gehend 
beobachten. Sogenannte Leichenfledderer, d. h. Personen, welche Schlafende bestehlen, 
kann man dadurch entlarven, daß ein Polizeibeamter sich schlafend stellt. 
Endlich muß die Polizei im Verkehr mit solchen Geschäftsleuten und 
Händlern, z. B. Fahrradhändlern, Trödlern, Alteisenhändlern usw. stehen, bei 
welchen die Diebe ihre Beute absetzen können. Freilich sind solche Leute nicht immer 
offen, weil sie aus der Abnahme solcher Ware Gewinn ziehen und lieber den 
Gedanken an einen Diebstahl absichtlich vermeiden. " 
Bei Entgegennahme von Diebstahlsanzeigen ist mit darauf 
zu achten, daß solche Anzeigen manchmal erstattet werden, ohne daß wirklich 
ein Diebstahl vorliegt. Jemand vermißt etwas, vermutet einen Diebstahl und 
läuft sofort zur Polizei. Die ersten Ermittelungen ergeben aber, daß er mit 
seinen Sachen sehr unordentlich umgeht, daß er selbst nicht weiß, wo und wann 
er die Sache zuletzt gesehen hat, daß kleine Kinder in der Wohnung sind, welche 
den Gegenstand verschleppt haben können usw. Auch erdichtete Diebstähle kommen 
zur Anzeige, z. B. von demjenigen, der einen in seiner Verwahrung befindlichen 
Geldbetrag verloren, vertan oder unterschlagen oder eine dringende fällige Schuld 
zu bezahlen hat oder die Versicherungssumme bei vorliegender Versicherung gegen 
Diebstahl erheben möchte. Wer einen Diebstahl erdichtet, stellt meist den Vorgang 
bezw. die Entdeckung in übertrieben ausführlicher Weise dar und trifft auch am 
angeblichen Tatorte allerhand übertriebene Vorkehrungen, z. B. stellt er eine 
Unordnung her, die ein wirklicher Dieb innerhalb der ihm zu Gebote gestandenen 
Zeit gar nicht hätte bewirken können. Es sind auch Nachforschungen dahin an- 
zustellen, ob das angeblich gestohlene Geld usw. vorher wirklich vorhanden war. 
Handelt es sich bei einem Diebstahle um die Führung eines Indizien- 
beweises, so ist in folgender Richtung zu erörtern: Wann vor Verübung der Tat 
wurde der gestohlene Gegenstand zuletzt gesehen? Wieviel Zeit nach der mutmaßlichen 
Zeit des Diebstahls wurde der Gegenstand zuerst vermißt? Wer hatte in der Zwischen- 
zeit Gelegenheit, den Raum zu betreten, in welchem der Gegenstand sich befand? 
In einem größeren und auch in einem kleinen Haushalte pflegen verschiedene 
Personen zu verkehren, Dienstboten, eigene und fremde Kinder, Familienangehörige, 
Verwandte, Untermieter und deren Besucher usw. Man vergesse auch nicht die 
geschlechtlichen Beziehungen, in welchen eine Person, Dienstmädchen. Diener, die 
Ehegatten usw., zu Dritten stehen können. Aus allen Personen sind diejenigen 
auszuschalten, welchen der Diebstahl nicht zuzutrauen ist. Hierbei sei man vorsichtig; 
Eheleute bestehlen sich manchmal gegenseitig in der Hoffnung, der Verdacht werde 
auf eine andere Person fallen. Von den verbleibenden Personen ist der Leumund 
zu erörtern, sind Vorakten herbeizuziehen, ist zu ermitteln, ob sie im Besitze des 
gestohlenen Gutes oder der Geldmittel aus dem Erlöse sich befunden, ob sie sich 
durch Ausgaben verdächtig gemacht, ob sie von dem Aufbewahrungsorte des gestohlenen 
Geldes gewußt haben usw.
	        
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