Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

Diebstahl. 341 
fache Experiment — Eintreten in unverschlossene Zimmer, vielleicht in schwarzer 
Trikotkleidung und mit unkenntlichem Gesicht — zu hunderten von Malen. Sein Mut 
ist kaum größer als der des Einbrechers, seine Geschicklichkeit auch nicht. Zergliedert 
man sein Tun recht genau, so sieht er seinen andern Diebskollegen recht ähnlich. 
So ist es auch mit dem Eisenbahntaschendieb, dessen Apparat durch Zusammen- 
arbeiten mit einem andern nur etwas kompliziert aussieht. Manchmal läßt die 
Kompliziertheit des verwendeten Apparates auf Raffiniertheit des Charakters schließen; 
z. B. wenn zwei Einbrecher ein Zimmer über einen Juwelierladen mieten und dann 
in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag nach gehöriger Vorbereitung durch die 
Decke einbrechen. Auch hier ist der Apparat beim näheren Zuschauen recht einfach. 
Wer sich diese vorstehende Schilderung der Diebe gegenwärtig hält, wird bei Be- 
urteilung und Herausfinden ihrer Persönlichkeit manche Handhabe haben. 
Gewisse Spezialisten von Dieben, z. B. die Fahrraddiebe, arbeiten auch ge- 
legentlich mit als Betrüger, indem sie sich beispielsweise Fahrräder vorübergehend 
entleihen usw. Sich einige Kunststücke auszusinnen, wird dem Spezialisten bei seiner 
immerhin einseitigen Tätigkeit nicht schwer fallen. Der Ueberziehermarder lenkt 
vielleicht in einer Restauration das Gespräch auf Ueberzieherdiebstähle und behauptet, 
er wisse genau und wolle es einmal vormachen, wie der Dieb unauffällig zu Werke 
gehe. Unter Zustimmung einzelner Gäste führt er nun die Ausführung eines solchen 
Diebstahls, von dem andere, insbesondere der Eigentümer des gewählten Ueberziehers, 
nichts wissen, vor, trägt den Ueberzieher bis an die Türe und — kommt dann nicht 
wieder zurück. Juristisch wäre diese Handlungsweise Betrug. 
Etwas anders liegt die Sache, wie schon angedeutet wurde, bei dem Diebe, 
der nur einmal, z. B. durch Gelegenheit oder Not verführt, stiehlt. Hier braucht 
der ausgeprägte Diebescharakter gar nicht, auch nicht in seinen Anfängen vorzuliegen. 
Die durch die Diebestätigkeit bedingten Grundzüge gehen aber auch hier nicht ver- 
loren. Die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache bleibt nun einmal eine 
einfache Handfertigkeit. Statt der Geschicklichkeit kann sich vielleicht eine Plumpheit 
in der Ausführung offenbaren; es wird manchmal verhältnismäßig auch viel mehr 
Raffinement als bei den gewohnheits= und gewerbsmäßigen Diebstählen angewendet. 
Leichtsinn in der Verschleuderung der Diebsbeute bezw. des Erlöses ist beim Gelegen- 
heitsdiebstahle nicht selten. Geständnis ist ebenfalls oft zu erlangen, weil meist die 
Diebsbeute gesunden oder auffällige Ausgaben nachgewiesen werden. 
Auch die hauptsächlichsten juristischen Merkmale der Bestimmungen des 
Strafgesetzbuchs über den Diebstahl muß sich der Kriminalbeamte gegenwärtig 
halten. Vergleiche hierzu Band 1 die §§ 242—244 des Str. G. Bs. Hervorzuheben ist, 
daß der Diebstahl nicht immer ein Bereicherungsdelikt zu sein braucht. Wenn ein eifriger 
Sammler irgend einen seltenen Sammelgegenstand, eine Briefmarke, Münze usw. 
dem Eigentümer oder Gewahrsamsinhaber, der ihm die Sache zu verkaufen abgelehnt 
hat, wider dessen Willen wegnehmen und statt dessen den Wert des Gegenstandes 
in Geld, ja vielleicht den reichlichen oder gar doppelten Wert in Geld zurücklassen 
würde, läge doch Diebstahl vor. Der Diebstahl ist vollendet, wenn der Dieb den
	        
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