Diebstahl. 347
hinter der Menge und beobachte den ihm bekannten Taschendieb oder die ihm ver—
dächtig vorkommende Person unauffällig. Kann er die Person in dem Augenblick,
wo dieselbe die Hand in der Tasche des Opfers hat, wo dieselbe „ziehen“ will,
festhalten und so den Dieb überführen, ist es gut; im übrigen ist es zweckmäßig,
erst den Diebstahl ausführen zu lassen und in dem Augenblick, wo das Objekt ver-
schwinden soll, zuzugreifen. Eine sofortige Durchsuchung der Sachen des Diebes
ist ratsam. Das in der Nähe befindliche Publikum muß sofort von dem Vorfall
in Kenntnis gesetzt werden; der Beamte wird an dem Publikum einen Verbündeten
haben, der die gewöhnlichen „Künste“ der Helfershelfer, wie Wegdrängen des Diebes,
Parteinehmen für diesen usw. zu Schanden macht.
Spezialisten der Taschendiebereien sind die Eisenbahntaschendiebe. Zwei
Genossen arbeiten zusammen und beobachten am Billetschalter, wer viel bares Geld
bei sich führt. Die Genossen folgen dem Reisenden an den Bahnwagen. Einer
kommt ihm beim Einsteigen zuvor und stellt sich, als ob er stolpere oder falle.
Die Aufmerksamkeit des Reisenden, der sich einen guten Platz sichern möchte, wird
hierdurch voll in Anspruch genommen, und er bemerkt nicht, wie der andere hinter
ihm ebenfalls in das Koupe drängende Genosse ihm das Portemonnaie stiehlt. Vor
Abgang des Zuges steigt dann der erste Genosse wieder aus, als ob ihm der Platz
nicht gefalle, während der zweite Genosse vielfach gar nicht erst einsteigt. Die
Genossen arbeiten aber auch während der Eisenbahnfahrt. Der eine verwickelt das
ihm gegenübersitzende Opfer in ein lebhaftes Gespräch, der andere sitzt neben dem
Opfer, stellt sich schlafend und hält eine seiner Hände mit einer anderen falschen
Hand im Schoße, was der Reisende zu seiner Sicherheit fortwährend im Auge
haben kann. Unterdessen arbeitet der scheinbar Schlafende mit der verborgenen Hand,
bestiehlt das Opfer und steckt die Beute dem Genossen zu, welcher auf einer der
nächsten Stationen aussteigt. Der „unterhaltende“ Genosse ist oft aus naheliegenden
Gründen eine Genossin.
Markt= und Ladendiebe (Schottenfeller) haben gewöhnlich auch Helfers-
helfer, welche durch Einkäufe usw. die Aufmerksamkeit des Verkäufers von dem Diebe
abzulenken suchen. Bei Aufnahme derartiger Anzeigen und Anstellung der Recherchen
hat der Kriminalbeamte seine Aufmerksamkeit auf die Personen mit zu richten, die
während der Zeit, als der Verdächtige anwesend gewesen ist, in den Laden oder an
den Marktstand gekommen sind. Die Triks der Ladendiebe sind sehr reichhaltig. Der
Polizeibeamte muß, um auf dem Laufenden zu bleiben, die Zeitungen studieren. Markt-
und Ladendiebe tragen gewöhnlich bauschige Kleidung mit langen, sackförmigen Taschen.
Der Einschleichedieb (Kittenschieber, Kegler) benutzt gewöhnlich die Abwesen-
heit der Hausbewohner oder Logisinhaber oder läßt sich abends in das Grundstück,
in die Hausflur oder in den Hof einschließen. Um Eintritt in die verschlossenen
Räume zu erlangen, schneidet er Türfüllungen aus, drückt Fensterscheiben unter den
Schlägen einer nahen Turmuhr oder mit dem „Pflaster“ ein, steigt ein oder arbeitet
mit Nachschlüssel oder Dietrich. Wenn im letzteren Falle der Schlüssel innen steckt,
packt der Dieb mit einer feinen Zange oder mit sonst einem sich eignenden Gegen-