Urkundenfälschung und falsche Legitimationspapiere. 357
Auf Herbergen usw. gefälschte Papiere zu erlangen, ist nicht schwer. Durch die
Formularhandlungen in größeren Städten ist es den geriebenen Gannern möglich,
sich in den Besitz amtlicher Vordrucke zu setzen. Ein stellenloser Kaufmann, Schreiber
oder eine schreibkundige Person füllt das betr. Formular aus, für welches ein Stempel
auf verschiedenem Wege besorgt werden kann. Von einem echten Stempelabdruck einer
Behörde nimmt der Fälscher mit Hektographenmasse einen Abzug und trägt diesen
Abzug nochmals von der Masse wieder auf das gefälschte Papier über, wo er nur
etwas blässer erscheinen wird, was ja aber auch bei echten Stempeln vorkommt.
Weiter werden echte Stempel zur Beglaubigung falscher Legitimationspapiere
verwendet. Der Schneider I. hat z. B. ein Zeugnis, welches zur Beglaubigung
den echten Stempel der Polizeiverwaltung Bitterfeld trägt. Derselbe braucht ein
neues Zeugnis, um der Behörde gegenüber nachweisen zu können, daß er nicht
längere Zeit arbeitslos, also nicht Landstreicher ist. Zu diesem Zweck bricht er sein
altes Zeugnis in vier Teile, behält den Teil, auf welchem der amtliche Stempel sich
befindet, und schneidet noch drei gleiche Teile dazu. Diese vier Teile klebt er auf
ein Stück Leinwand oder Kattun und schreibt oder läßt auf diesen Bogen schreiben,
daß er bis zu dem und dem Tage bei dem Schneidermeister B. in Bitterfeld in Arbeit
gewesen und ein Prachtexemplar von einem Schneider ist. Wenn die neuen Teile
des Falsifikates durch ihre Reinlichkeit von dem vierten Stücke abstechen, werden
sie auf dem schmutzigen Tisch usw. so lange gerieben, bis sie die Farbe des
vierten Stückes annehmen, und das Legitimationspapier mit Amtssiegel ist fertig. Um
die Täuschung vollkommen zu machen, läßt sich der Schneider X von den Polizei-
behörden den Ortsgeschenkstempel darauf drücken.
Weiter sind auch eine Anzahl Legitimationsfälscher, die in Herbergen usw. ihr
Brot damit verdienen, gewöhnlich im Besitz „linker Zinken“ (in Schiefer usw. nach-
gemachter Stempel) irgend einer Polizeibehörde und zwar solcher Ortschaften, die
weniger bekannt sind oder mit gleichem Namen wiederholt vorkommen, so daß die
Identität des Ortes nicht sofort ermittelt wird, oder welche gar nicht existieren.
Solcher falscher Stempel gibt es mehr als man gewöhnlich glaubt. Nach ihnen
hat man die Kleidung der Landstreicher, und zwar an den verborgendsten Stellen,
sorgfältigst zu durchsuchen.
Bei etwaigem Zweifel an der Echtheit der Legitimationspapiere muß vor allen
Dingen der psychologische Scharfblick helfen. Aus dem ganzen Wesen der Person
muß der Polizeibeamte herausfinden, ob die ihm vorgelegten Papiere oder die ihm
gemachten Angaben sich mit dem Subjekt vereinbaren lassen. Die einzelnen Gewerbe
lassen äußere Merkmale zurück. So ist der Tischler leicht vom Schneider, der Bäcker
von dem Fleischer zu unterscheiden. Der Polizeibeamte, der die Menschen nicht
flüchtig mustert, wird in kurzer Zeit mit einiger Bestimmtheit behaupten können, welcher
Gruppe von Handwerkern, Gewerbetreibenden usw. diese oder jene Person angchört.
Weiter ist der Dialekt in Betracht zu ziehen und vor allem eine gründliche
Visitation derartiger Personen vorzunehmen. Eine alte bewährte Regel ist die, daß
man die betr. Person eingehend verhört und sich viel von ihrer Familie und ihren