Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

368 I. Der exekutive Kriminalbeamte. 
erschweren sollen? Solche Umstände verstärken ebenfalls den Verdacht. Ist in dem- 
selben Grundstücke oder bei demselben Besitzer mehrmals Feuer ausgebrochen? Haben 
deswegen schon Untersuchungen wegen Brandstiftung stattgefunden? Wer hatte die- 
jenigen Eigenschaften, Kenntnisse und Fähigkeiten, die der Täter nach seiner Aus- 
führung gehabt hat? Wer hatte einen zur Tat fähigen Charakter? Wem traut 
man nach seinem Leumund die Tat zu? Hat jemand die Absicht, Feuer an- 
zulegen, mündlich durch Drohreden und Ankündigungen oder schriftlich durch Brandbriefe 
zu erkennen gegeben? Ist auf eine strafbare Handlung am Brandorte, auf Dieb- 
stahl, Vorbereitung eines Versicherungsbetrugs durch Wegschaffen versicherter Gegen- 
stände oder auf Mord zu schließen? Der Brand soll oft eine andere Straftat 
verdecken. Wann, wie lange und wo ist der Täter am Brandorte gewesen? Wie 
ist er dahin gelangt, wie hat er ihn verlassen? Sind vom Täter herrührende Fuß- 
spuren oder andere Spuren, etwa verlorene oder zurückgelassene Sachen, abgebrannte 
Streichhölzer usw. am Brandorte oder in der Umgebung desselben zu finden? Wer 
war im Besitze der verwendeten Brandmittel? Vielfach verwendet der Brandstifter 
eine sogenannte „Zeitzündung“; dann ist es möglich, daß verräterische Spuren am 
Brandherde zurückbleiben, die aufgefunden werden können. Die Beliebtheit der 
„Brandstiftung auf Distanz“ liegt darin, daß sie in aller Heimlichkeit und Ruhe 
vorgerichtet werden und der Täter zur Zeit des Ausbruchs des Feuers mit Hülfe 
der modernen Verkehrsmittel sonst wo sein und einen glänzenden Alibibeweis er- 
bringen kann. Hier sind also sorgfältige Erörterungen über Einkäufe von Brenn- 
material, z. B. Petroleum usw. am Platze. Bekannt ist die Kerze oder das Licht, welches 
in einen aus feuerfangenden Sachen — Stroh, Sägespähne, Heu, Papier, Holz usw. — 
gebildeten Brandherd gesetzt und angebrannt wird. Der Täter kann vorher an einer 
gleichartigen Kerze auf die Viertelstunde oder noch genauer berechnen, wann der 
Brandherd in Flammen steht, und sich hiernach ein Bild machen, wann die Gardinen 
oder die Dachsparren usw. vom Feuer ergriffen werden. Eine dicke Wachskerze mit 
dünnem Dochte kann oft sogar Tage lang brennen. Bei den Händlern würde, besonders an 
kleineren Orten, dann vielleicht geforscht werden können, ob jemand eine solche Kerze 
gekauft hat. Auch Zündschnuren und Zündbänder werden hergestellt und zur Ent- 
zündung verwendet; sie sind aber weniger zuverlässig als die beliebte Kerze. Auch 
aus Weckeruhren und dem Leutewerk vom Haustelegraphen haben die Brandstifter 
einen Zeitzünder geschaffen, sogenannte Thomasuhren im Kleinen. Es wird so ein- 
gerichtet, daß der Klöppel nicht an die Glocke, welche vielleicht entfernt wird, sondern 
an ein Fläschchen aus recht dünnem Glase, mit Schwefelsäure gefüllt, anschlägt, so 
daß die Schwefelsäure aus der zerbrechenden Flasche in ein darunterstehendes Ge- 
fäß mit z. B. einem Gemenge von chlorsaurem Kali und Zucker fließt, wodurch 
eine Flammenbildung entsteht, welche wieder den gehäuften Brennstoff in Brand setzt. 
Man kann auch ein Fläschchen mit Schwefelsäure verkehrt, so daß die Säure den 
Kork durchfressen muß, über der Mischung von chlorsaurem Kali und Zucker auf- 
hängen. Es gibt aber auch noch andere chemische Wirkungen mit demselben Effekt; 
hierüber geben die Chemiebücher Auskunft. Aus Phosphor, Benzin, metallischem
	        
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