376 I. Der exekutive Kriminalbeamte.
zurückkehrt. Leute arbeitenden Standes haben eine Menge nähere oder entferntere
Bekannte. Ledige Leute sind in Familien Logisburschen und kommen da mit
ihren Wirtsleuten und anderen Mietsleuten zusammen. In Familien aus arbeitenden
Kreisen ist auch viel Verkehr mit der Nachbarschaft. Leute arbeitenden Standes
pflegen viel in Schanklokalen und Kaffeestuben zu verkehren. Der Mörder wird
sich also bald wieder unter Zeugen bewegen. Hat er sich bei der Tat mit Blut
befleckt oder verletzt, so können diese Umstände Verdacht erregen. Er trägt auch nach
der Tat oft ein scheues, verstörtes, seiner Umgebung daher auffälliges Wesen zur
Schau; wenn von der Mordtat gesprochen wird, kommt er in Verlegenheit und
wird blaß. Freilich gibt es auch gefühllose Menschen, die sich durch keine innerliche
Anwandlung packen lassen. Der Mörder macht sich auch manchmal durch eigenes
Reden über die Tat verdächtig; er fängt gern von ihr zu reden an, um sich zu
beruhigen und zu hören, daß niemand den Verdacht auf ihn wirft. Oder der Mörder
ist wider seine Gewohnheit zur Zeit der Tat nicht in seiner gewohnten Umgebung
gewesen; er sucht seine Abwesenheit in aufdringlicher Weise zu rechtfertigen. Oder
er zeigt nach dem Morde geraubtes Geld oder sonstige Wertgegenstände. Er besucht
öffentliche Frauenzimmer und läßt sich von der Mordtat erzählen. Er ist von dem
Tatort eilend davongelaufen, Menschen müssen ihm nach den obwaltenden Verhältnissen
begegnet haben. Kurz, der Mörder wird meist eine Reihe von Anhaltspunkten für
die Wahrnehmung anderer Personen gewähren, deren Aufmerksamkeit und Gedächtnis
durch nachdrückliche amtliche Bekanntmachungen angeregt werden muß. In besonders
wichtigen Fällen sollte es nicht vermieden werden, in öffentlichen Bekanntmachungen
auf die vorstehend bezeichneten Gesichtspunkte ausdrücklich hinzuweisen und so dem
Publikum klar zu machen, wie wichtig seine Mitarbeit in solchen Fällen ist. Dieser
Wichtigkeit ist sich nämlich die Durchschnittsbevölkerung durchaus nicht bewußt. Es
trägt seine Mitteilungen der Polizei oft ganz zufällig zu, wobei auch die Scheu,
mit den Behörden zu tun zu haben und sich zufolge eines vielleicht unbegründeten
Verdachtes gar Unannehmlichkeiten zuzuziehen, eine Rolle spielt. Gerade hier zeigt
es sich, von welcher Wichtigkeit es ist, daß der Polizeibeamte gegenüber Zeugen so
höflich und zuvorkommend auftritt, als es seine Beamtenstellung erlaubt. Ein häf-
licher Beamter, d. h. ein Beamter, der die Höflichkeiten des Gesellschaftsverkehrs in
verbindlicher Form anwendet und nicht bloß mit der Miene und dem Tone des
ehemaligen Unteroffiziers die Auskunftspersonen behandelt, wird auch vom Publikum
gern und gut bedient werden.
Führen die Erörterungen auf eine bestimmte verdächtige Person, so ist bezüglich
ihrer wie in anderen Fällen zu verfahren. Ihr Vorleben und Leumund sind aus
Polizeiakten oder durch Befragung geeigneter Auskunftspersonen festzustellen. Ihr
Verhältnis zum Ermordeten bezw. ihre Bekanntschaft mit dessen Räumlichkeiten und
Gewohnheiten ist zu ermitteln. Konnte die verdächtige Person ein Motiv zur Tat
haben? Wo war der Verdächtige zur Zeit der Tat? Kann er sein Alibi nachweisen?
Irren sich die Alibizeugen nicht im Datum, im Wochentage, in der Tageszeit, in der
Stunde? in der Person des Verdächtigen? Weisen die Person oder Effekten des