406 I. Der exekutive Kriminalbeamte.
oder einer Majestätsbeleidigung an. Der Melancholiker begeht aber manchmal auch
in Wirklichkeit strafbare Handlungen, besonders im sogenannten raptus melancholicus,
wenn seine Angst, zur Verzweiflung gesteigert, in irgend einem Gewaltakte, einem
Morde, einer Brandstiftung usw., ausbricht.
Wird bei der Melancholie der Kranke ohne äußeren Anlaß traurig verstimmt,
so tritt bei der Manie ebenfalls ohne solche äußere Ursache plötzlich eine äußerst
heitere, erregte Stimmung ein. Die geistigen und körperlichen Leistungen erscheinen
gehoben; der Kranke schwatzt und lacht, hat nirgends Ruhe, läuft zwecklos umher,
wird hochgradig zornig und widersetzlich, benimmt sich laut und auffällig, bis er
zu schreien und zu toben beginnt und irgend exzediert, besonders im Trinken oder
im Geschlechtsgenuß. Zu Konflikten mit dem Strafgesetzbuche, besonders zu
Körperverletzungen, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Ver-
übung groben Unfugs usw. kommt es sehr leicht; auch Diebstähle,
Gotteslästerungen, Kindesmord und Gefährdung von Eisenbahn-
transporten sind in der ausgelassenen Stimmung verübt worden. Bei Frauen
und Mädchen hat sich manchmal der Geschlechtstrieb so gesteigert, daß sie sich auf
öffentlicher Straße den Männern angeboten haben und deswegen zur polizeilichen
Sistierung gelangt sind. Auch die Dauer dieser Gemütskrankheit ist verschieden.
Sie kann in Wochen oder Monaten beendet sein. Sie kann periodisch auftreten
und sich zur chronischen Manie entwickeln.
Bei den Verstandeserkrankungen, zu deren Betrachtung wir uns jetzt
wenden, steht im Vordergrunde der Symptome eine Störung der Verstandestätigkeit.
Man unterscheidet akute und chronische Erkrankungen des Verstandes.
Wir sprechen zuerst von den akuten Formen. Hierzu sind nach Cramer eine
große Reihe von Krankheitsbildern zu rechnen, welche in der Literatur zum Teil
unter den verschiedensten Namen beschrieben sind: Delirium acutum, Delirium
hallucinatorium, akute Verwirrtheit, akute Verrücktheit, Amentia,
akutes halluzinatorisches Irresein, akute Paranoia.
Die Störungen der Verstandestätigkeit werden in der Hauptsache durch Sinnes-
täuschungen, Wahnideen und die Zusammenhanglosigkeit der Gedanken verursacht.
Die Affekte kommen erst in zweiter Linie in Frage, sofern sie von den erwähnten
Ursachen der Verstandesstörung mit beeinflußt werden. Alle diese Zustände treten
rasch und plötzlich auf, oft nach Krankheiten und Erschöpfungszuständen, wie Ueber-
anstrengungen, Wochenbett, starkem Blutverluste usw., und berauben den Kranken sofort
in hohem Grade fast aller geistigen Funktionen. Er hört drohende Stimmen, sieht
überall Abgründe, riecht entsetzliche Gerüche. Angst und Entsetzen erfassen ihn; er
sucht ihnen zu entfliehen. Für seine Umgebung wird er gefährlich. Es kommt
vielfach zu strafbaren Handlungen, Notzuchtsversuchen, Hausfriedens-
bruch, Diebstahl usw. Zu diesen Krankheitserscheinungen ist auch der sogenannte
Zuchthausknall (Gefängnispsychosen) zu rechnen. Der Gefangene gerät
in eine sich steigernde Erregung, die schließlich in einem Gewaltakte, Zertrümmerung
des Zelleninventars und tätlichem Angriff auf den Aufsichtsbeamten, ausbricht.