Allgemeine Verhaltungsvorschriften. 419
Vorhalt gegenüber nicht sich schroff abweisend verhalten und bei einer Darstellung nur
deshalb stehen bleiben, weil er sie s. Z. so in der Anzeige niedergeschrieben hat. Es
macht einen peinlichen Eindruck, wenn ein Polizeibeamter solchem oft begründeten
Vorhalte gegenüber sich völlig unzugängig zeigt. Er erweckt hierdurch den Eindruck,
als fühle er sich über jeden menschlichen Irrtum erhaben. Und gerade die neueren
kriminalpsychologischen Forschungen haben ja ergeben, wie leicht der Mensch einen
Vorgang entweder sofort nicht richtig auffaßt oder nachträglich in seinem Gedächtnifse
unbewußt fälscht oder vergißt. Gerade der Polizeibeamte hat hinreichend Gelegenheit,
an sich und an anderen die Trühglichkeit des menschlichen Gedächtnisses zu erproben.
Ist er allerdings auf der einen Seite durch seinen Dienst geradezu dazu berufen,
gewisse Wahrnehmungen zu machen und in seinem Gedächtnisse zu bewahren, so wird
doch diese durch die Uebung ganz gewiß erhöhte Befähigung anderseits wieder durch
die Vielheit der schließlich mechanisch wirkenden Wahrnehmungen abgeschwächt. Der
Polizeibeamte beschwört in der Hauptverhandlung als Zeuge nicht ohne weiteres nur
den Inhalt seiner vielleicht wieder durchgelesenen Anzeige. Auch er hat sich wie jeder
andere Zeuge derart auf die Hauptverhandlung vorzubereiten, daß er sich zunächst
das gegenwärtig hält, was er ohne seine schriftlichen Notizen aus eigener Gedächtnis-
kraft noch weiß. Soweit er sich an seine schriftlichen Notizen hält, muß er erneut
nachprüfen, ob sich in denselben nicht etwa ein Irrtum befindet. Auch in der
Hauptverhandlung wird vom Gerichte die Benutzung solcher Niederschriften gern
gestattet. Die Hauptsache ist, daß der Beamte zu erkennen gibt, wieweit er den
Vorgang im Gedächtnisse behalten hat, und inwieweit er sagen muß, daß er einen
Umstand nur deshalb aufrecht erhalte, weil er ihn s. Zt. annehmbar richtig so
schristlich firiert habe. Der Beamte soll nicht denken, daß es eine Bloßstellung sei,
wenn vielleicht in einem nebensächlichen Punkte sein Gedächtnis versagt. Das liegt
eben in der Vielheit seiner Wahrnehmungen und kommt bei anderen Beamten, zumal
bei Justizbeamten, welche allerdings nicht gerade zur Festhaltung ihrer dienstlichen
Wahrnehmungen berufen sind, bekanntlich sehr häufig vor. Natürlich ist es wünschens-
wert, daß der Beamte die Hauptpunkte seiner Anzeige auch unter Eid bekräftigen
kann. Von dem, was er nach bestem Wissen und Gewissen als seine Wahrnehmungen
bekunden kann, soll er sich auch nicht durch Winkelzüge des Angeklagten oder der
Zeugen oder durch ungeschickte Befragung seitens des Gerichts abbringen lassen.
Versagt aber sein Gedächtnis, so soll er nicht anstehen, es zu bekennen. Mancher
Polizeibeamte, der aus falschem Ehrgeiz eine unrichtige Darstellung beeidete, hat
dadurch nicht nur Staatsanwalt und Gericht in Verlegenheit gebracht, sondern auch
sich selbst kompromittiert, wenn nicht unglücklich gemacht. Der Polizeibeamte poche
nicht darauf, daß ihm in seiner Amtsstellung, insbesondere gegenüber minderwertigen
Personen, Vorbestraften, Dirnen, Kupplern, Landstreichern usw. ohne weiteres die höhere
Glaubwürdigkeit zukommen wird. Es sind Beispiele bekannt, daß auch ein Schutzmann
lediglich auf grund von unbeeidigten Aussagen von Züchtlingen, welche überdies wegen
Meineids bestraft waren, von Dirnen und dergleichen des Meineids überführt worden ist,
und zwar, wie spätere Geständnisse ergaben, in einer der Wahrheit entsprechenden Weise.
27“