Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

424 II. Der exekutive Polizeibeamte. 
und kommen doch auf der Straße, auf dem Bahnhofe, an den Theaterkassen usw. 
auch dann und wann in Verlegenheit, eine Ordnungswidrigkeit sich zu schulden 
kommen zu lassen. Es darf empfohlen werden, der Damenwelt gegenüber einen 
höflicheren Ton anzunehmen. Denn die Kritik, welche aus solchen Ursachen an der 
Polizeimannschaft in selbstverständlich auch übertriebener Weise geübt wird, hat doch 
in ihrer Weiterverbreitung, welche dann leicht verallgemeinert, nichts Unbedenkliches. 
Sachliche Begründung der Höflichkeit. 
Der höfliche, ja zuvorkommende Ton des Polizeibeamten hat ja auch seine 
tiefere sachliche Begründung. Er vergesse vor allem nicht, daß er bei zuvorkommender 
und höflicher Behandlung in den meisten Fällen seinen Zweck am sichersten und 
leichtesten erreichen wird. Insbesondere bei Erörterungen und Befragung von Zeugen 
wird er am besten bedient werden, wenn er jeder Person in der seinem Stande 
eigenen Form begegnet (vergl. Handbuch, 2. Band, Seite 320). Das Publikum 
ist nicht des Schutzmannes wegen, sondern der Polizeibeamte ist des Publikums 
wegen da. Er hat den Interessen der Allgemeinheit, welche das Publikum mit 
umfaßt, zu dienen. Von dieser Auffassung des Schutzmanns als eines Schützers 
des Publikums sind bei uns die Exekutivmannschaften noch nicht hinreichend durch- 
drungen. Sie fühlen sich im allgemeinen doch noch zu sehr im Gegensatze zum 
Publikum. Das kommt vielleicht mit von ihrer militärischen Vergangenheit her. 
Dieses Verhältnis hat zur Folge, daß das Publikum auch seinerseits sich in einen 
gewissen Gegensatz zum Schutzmann stellt. Bei uns in Deutschland fehlt noch das 
Vertrauen des Publikums zum Schutzmann als seinem öffentlichen Beistande. 
Es wendet sich nicht jedermann gern an einen Schutzmann um Rat und Auskunft; 
er fürchtet, kurz und unfreundlich behandelt zu werden. Es ist von beiden Seiten, 
von der Exekutivmannschaft und vom Publikum, darauf hinzustreben, daß das Ver- 
trauen, welches noch fehlt, sich findet. Es darf auch nicht bezweifelt werden, daß 
wir den Vorbildern des Auslandes in dieser Hinsicht nachkommen werden. Einst- 
weilen darf auch das nicht verschwiegen werden, daß wir in Deutschland unter 
einer nicht abzuleugnenden Polizeibevormundung um deswillen leben, weil es dem 
gegenwärtigen Charakter des deutschen Volkes so entspricht, welches sich seiner Volks- 
souveränität in dem Verkehr auf offenen Straßen, Plätzen und Lokalen noch nicht 
voll bewußt und für sie vielleicht auch noch nicht überall reif ist. 
Gerechtigkeitsfinn. 
Endlich muß in dem polizeilichen Exekutivbeamten ein ehrlicher Gerechtig- 
keitssinn wohnen. Wie ihm bei Auffassung und Anfassung aller ihm begegnenden 
Verhältnisse ein offener Kopf und praktischer, gesunder Menschen- 
verstand oft helfen muß, ohne jeden fremden Rat, zum Beispiel wenn er auf Posten 
steht, eine Entscheidung zu treffen, so soll ihn auch ein innewohnendes Gefühl 
anhalten, jede Angelegenheit in gerechter und vorurteilsfreier Weise zu behandeln. 
Wenn auch viele seiner Erörterungen nachträglich von dem Staatsanwalte und dem 
Gerichte einer Entscheidung unterworfen werden, so liegt doch der erste Angriff einer 
Sache und damit auch ihre erste Beurteilung vielfach beim Polizeibeamten.
	        
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