Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

Straßen= und Postendienst. 431 
Verübung weiterer Exzesse zu verhüten. Der Polizeibeamte kann auch eine Person, 
welche als Zeuge eines Vorganges in Frage kommt und Nennung ihres Namens 
verweigert, zwecks dessen Feststellung zur Polizeiwache sistieren. 
Wegen Beschlagnahme und Durchsuchung vergl. §§ 94—111 der 
Strafprozeßordnung (Handbuch, 1. Band, Seite 61). Vorläufige Wegnahme von 
Gegenständen (z. B. Waffen) kann auch als vorbeugende Maßregel durch 
den Polizeibeamten erfolgen. 
Anzeigeerstattung bei Uebertretungen. 
Schon oben wurde gesagt, daß der Exekutivbeamte sich durch seine Aufgaben 
nicht berufen fühlen soll, das Publikum zu chikanieren und zu tyrannisieren. In 
erster Linie ist auf gütliche Weise die Unterlassung von Ordnungswidrigkeiten zu 
erwirken. Auch bei Gefährdungen harmloser Art ist nicht ohne weiteres 
Einschreiten von Amtswegen geboten; vielmehr wird meist eine Anzeigeerstattung 
aus dem Publikum abzuwarten sein. Der Beamte muß selbst den richtigen Takt 
haben bezw. ihn durch Uebung erlangen, in welchen Fällen der Gefährdung ein so- 
fortiges Einschreiten durch Anzeige oder durch bloße Verwarnung am Platze 
ist. Es wird Sache der Vorgesetzten sein, den Beamten hierin zu unterweisen und 
zu korrigieren. Der Schutzmann ist nicht dazu bestellt, möglichst viele Anzeigen zu 
erstatten. Eine gerade gegenteilige Auffassung seiner Amtstätigkeit wäre natürlich 
auch nicht zutreffend. Eine zu gehäufte Anzeigeerstattung kann leicht Anlaß zu der 
ganz gewiß törichten, aber ebenso sicher vorhandenen und immerhin charakteristischen 
Auffassung geben, als habe der Exekutivbeamte sich fristgemäß durch eine bestimmte Anzahl 
von Anzeigen auszuweisen oder als beziehe er gar eine Extrabelohnung für jede Anzeige. 
Anzeigen von Uebertretungen sind schnell, kurz, aber doch nicht 
dürftigen Inhalts zu erstatten. Insbesondere ist nicht bloß der objektive Tatbestand 
der Uebertretung, vielleicht gar nur mit den Worten des Gesetzes, sondern es sind 
die Einzelheiten der Handlungen kurz zu beschreiben. Wenn es irgend angängig, 
ist stets der Beschuldigte zu befragen, weshalb er die der Uebertretung zugrunde 
liegende Handlung begangen habe, z. B. weshalb er übermäßig schnell gefahren oder 
mit einem Revolver geschossen oder keine brennende Laterne am Fuhrwerke oder am 
Fahrrade keine Glocke geführt hat. Die Polizeiübertretungen sind keine 
bloßen Formaldelikte, auch sie erfordern den Nachweis einer 
strafbaren Schuld, eines Vorsatzes oder einer Fahrlässigkeit. 
Durch die Befragung des Beschuldigten und die zur Nachprüfung seiner Angaben 
etwa vorgenommenen Erörterungen werden die Art und der Grad seiner Schuld klar- 
gestellt, was wieder der Polizeibehörde bei der Strafzumessung in der Strafverfügung 
als Unterlage zu dienen hat. Darum aber, weil die Polizeiübertretungen keine 
bloßen Formaldelikte sind, können sie auch nicht nach der äußetlichen Gleichartigkeit 
einer Handlung mit Tarstrafen belegt werden. Für die Art und Höhe einer 
Strafe, insbesondere einer Geldstrafe, sind außer den unbedingt zu berücksichtigenden 
Erwerbs= und sonstigen Vermögensverhältnissen des Beschuldigten 
auch die Art und der Grad seiner Schuld entscheidend. Es ist äußerst wünschens-
	        
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