436 II. Der exekutive Polizeibeamte.
Reichsgericht erklärt die Lübecker Verordnung wegen ihrer fehler-
haften Redaktion für ungültig, zeigt aber zugleich selbst ganz
un zweideutig den Weg, wie dem Streikpostenstehen gleichwohl
gesetzlich beizukommen ist.
3. Ruhestörender Lärm und grober Unfug.
(§ 360 Ziffer 11 Str.G.B.)
Diejenigen Uebertretungen, welche dem polizeilichen Exekutivbeamten
am meisten begegnen, sind Erregung ungebührlicherweise ruhestörenden
Lärms und Verübung groben Unfugs, strafbar nach § 360 Ziffer 11 des
Reichsstrafgesetzbuchs. Da die Formulierung dieser beiden Talbestände eine präzise
nicht ist und zu Zweifeln Anlaß geben kann, so haben Praxis und Rechtsprechung
anfänglich diese Tatbestände sehr weit ausgelegt und sie gewissermaßen als Ersatz-
tatbestände zur Ausfüllung von Lücken in der Gesetzgebung angesehen. Hiergegen
hat aber in neuerer Zeit wiederholt das Reichsgericht Stellung genommen und den
beiden Uebertretungstatbeständen eine nunmehr zweifelsfreie Auslegung gegeben.
Aus diesen Gründen ist es für den polizeilichen Exekutivbeamten
von Bedeutung, die gesetzlichen Voraussetzungen eines ungebührlicherweise ruhe-
störenden Lärms und groben Unfugs zu keunen.
Allgemeine Erfordernisse von ruhestörendem Lärm und grobem Unf###g.
Mischtatbestände.
Beide Tatbestände sind sogenannte Mischtatbestände, d. h. in der Praxis
wird sehr leicht der eine in den andern übergehen; eine feste Grenze ist nicht immer
zu ziehen. Eine einzelne Handlung kann sich sowohl als Erregung ruhestörenden
Lärms wie als Verübung groben Unfugs darstellen; manchmal wird man sie mehr
nach der einen, manchmal mehr nach der andern Richtung als Unfug oder als
Lärm auffassen können, je nachdem der Unfug oder der Lärm überwiegend und
charakteristisch ist.
Strafbar nur Vorsätzlichkeit, nicht Fahrlässigkeit der Handlung.
Nur eine vorsätzliche, nicht aber eine fahrlässige Handlung kann
als ungebührlicherweise ruhestörender Lärm oder grober Unfug bestraft werden.
Ginge z. B. eine Mannsperson mit vorn aufgeknöpften Hosen, sodaß Hemd und
Körperteile sichtbar wären, durch belebte Straßen und es wäre ihm dies aus irgend
einem Grunde nicht bewußt, weil er vielleicht in großer Eile sich zu Hause anziehen
und fortgehen mußte, so könnte er nicht bestraft werden (selbstverständlich auch nicht
wegen Aergerniserregung durch eine unzüchtige Handlung, wobei ebenfalls Vorsatz
erfordert wird). Eine andere Frage ist natürlich, ob dem Beschuldigten im Einzel-
falle zu glauben ist, daß er fahrlässig und nicht vorsätzlich gehandelt hat.
Verletzung oder Gefährdung des Publikums als solchen.
Beide Tatbestände behandeln Verletzungen oder Gefährdungen der
5öffentlichen Ordnung, deren Aufrechterhaltung der Polizeiexekutivmannschaft