Ruhestörender Lärm und grober Unfung. 439
Auch hier wird zu unterscheiden sein, ob der Hahn in der Stadt oder auf dem
Lande gehalten wird. Desgleichen Halten eines schreienden Pfaues. Wer
am Tage, selbst im Uebermaße und in unschöner Ausführung, Klavier spielt,
macht sich der ungebührlichen Ruhestörung nicht schuldig, wenn er damit einen ver-
nünftigen und erlaubten Zweck verfolgt, z. B. übt, komponiert, Unterricht erteilt,
sich die Zeit vertreibt usy. Wer aber durch solches im übrigen zweckloses über-
mäßiges Klavierspielen seine Hausmitbewohner ärgern und schikanieren will,
ist strafbar. Freilich ist meist die Absicht der Schikane schwer zu beweisen, weil der
Täter vielfach zugleich einen vernünftigen und erlaubten Zweck vorgeben können wird.
Aehnlich sind zu beurteilen übermäßige Ruhyestörungen bei Ausübung
eines Gewerbes oder lärmenden Handwerks (Klempner), z. B. Auf-
stellung geräuschvoller Maschinen, Nachtarbeiten, Tanzmusiken usw.
Läge allerdings in solchen Fällen an sich schon ein polizeiliches Verbot vor, so
würde auch die Lärmerregung zugleich eine ungebührliche. Im übrigen würde auch
nur Lärmerregung zur Schikane strafbar machen. Ungebührliches und überlautes
Ausrufen von Zeitungen, Waren usw. auf den Straßen kann zur Ruhe-
störung werden. Bestraft wurde auch ein Hotelportier, der mit schrillem
Pfeifen die auf dem nahen Droschkenstandplatze haltenden Droschken herbeipfiff. Ein
Fleischer wurde wegen Ruhestörung bestraft, weil sein Schlachtvieh, das er
hungern ließ, vor Hunger heulte. Wer seinen entlaufenen, nächtlich zurück-
kehrenden Hund vor der Haustüre stundenlang wissentlich bellen und heulen läßt,
wer, um den vergessenen Hausschlüssel herabgeworfen zu erhalten, auf der Straße
fortdauernd und überlaut pfeift oder in die Hände klatscht, der Gastwirt, der gegen
das nächtliche Lärmen seiner Gäste nicht cinschreitet, der Ehemann, der seine Frau
so mißhandelt, daß ihr Hülfe= und Schmerzensschrei die Ruhe stört, ist strafbar.
Grober Unfug insbesondere. Beispiele aus der gerichtlichen Praris.
Nicht jeder Unfug ist strafbar, sondern nur ein grober, d. h. ein erheb-
licher. Wann solche Erheblichkeit vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalles
zu beurteilen. Die grob unfügliche Handlung muß sich, wie bereits am Eingange
gesagt wurde, gegen den äußeren Bestand der öffentlichen Ordnung richten, muß
sie stören oder gefährden. Es genügt auch hier, daß die Handlung geeignet ist,
die öffentliche Ordnung zu stören oder zu gefährden. Es kommt also auch hier
nicht darauf an, ob überhaupt eine Person die auf einer Straße vorgenommene
Handlung des Beschuldigten wahrgenommen hat. Die Bennruhigung und Belästigung
des Publikums müssen, wie in der oben zitierten Reichsgerichtsentscheidung aus-
einandergesetzt worden ist, eine unmittelbare Folge der Handlung selbst
sein, namentlich auch bei den sogenannten psychischen Beunruhigungen und Belästigungen.
Verübung groben Unfugs ist vorsätzliche Verursachung. Der Täter muß wissen
oder bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt mit der Möglichkeit
rechnen, daß seine Handlung die öffentliche Ordnung slören oder verletzen könne
und daß er kein Recht hat, einen sochen Erfolg zu verursachen.