440 II. Der exekutive Polizeibeamte.
Beispiele: Durch öffentliche Verbreitung von Flugblättern wird zum
Boykott aufgefordert; Beteiligung an sozialdemokratischer Kundgebung; bedrohliches
Gebahren mit Schießgewehr im Publikum; Urinieren auf den Straßen; Angriffe
gegen einzelne Personen, von unbestimmt vielen Personen wahrnehmbar; spiritistische,
auf Täuschung und Ausbeutung des Publikums gerichtete Vorträge; Verbreitung
sozialdemokratischer Flugblätter an Sonntagen in den Häusern ohne Ansehen der zu
respektierenden politischen Gesinnung der Bewohner; Verhöhnung des Militärjubiläums
eines Monarchen durch Zeitungsartikel; öffentliche Verrufserklärung bestimmter
Gewerbtreibender; demonstratives Singen sozialdemokratischer Parteilieder; Halten
ungehöriger Rede an einem Grabe; unzüchtige Aeußerungen (soweit nicht der Tat-
bestand von § 183 Str.G.B. vorliegt); politische Demonstration; antisemitische
Kundgebung; öffentliche Beleidigung (wenn Strafantrag nicht gestellt ist); Störung
einer Versammlung durch grelle Pfiffc; Täter spritzt bei Brand statt auf das Feuer
vorsätzlich auf Feuerwehrmann; öffentliches Ankündigen als Wahrsager; bewußt
unberechtigter Schreckruf: „Feuer!“ Verbreitung eines falschen Gerüchtes; schwindel-
hafte Reklame; Ansprechen einer anständigen Dame wider deren kundgegebenen Willen
auf offener Straße zum Zwecke nicht lauterer Bekanntschaft; vorsätzliches Anrempeln
der Straßenpassanten; Erregung von Aergernis durch Trunkenheit.
4. Vom groben Unfug zum Landfriedensbruch und Aufruhr.
Absperrungsmaßregeln.
(Vergl. hierzu Formularanzeige im Formularbuche, Seite 210.)
Im Laufe der letzten Jahre haben an verschiedenen Orten im Deutschen Reiche
bedauerlicherweise sich Vorgänge abgespielt, welche ihre gerichtliche Aburteilung als
Landfriedensbruch und Aufruhr gefunden haben. Es ist für den Polizei-=
beamten von großem Interesse, den Entwickelungsgang solcher Ereignisse näher
kennen zu lernen und zu studieren. Er ist im großen und ganzen überall derselbe
und lehrt den Beobachter, wie hier mit lawinenartiger Schnelligkeit
und Gefährlichkeit Straftat auf Straftat, an Schwere immer
wachsend, sich häuft. Das große Publikum hat meist nicht den richtigen Be-
griff von den einschlagenden, allerdings zum Teil etwas komplizierten Tatbeständen
des Strafgesetzes und weiß deshalb auch nicht, wie schnell dieselben in objektiver
und subjektiver Richtung erfüllt sein können. Gewichtig sind die Gründe, welche den
Gesetzgeber zur Androhung empfindlicher Strafen bestimmt haben und folgerichtig
auch den erkennenden Richter ein strenges Strafmaß zur Anwendung bringen lassen.
Den Anfang der Exzesse bilden zumeist ein grober Unfug
oder ruhestörender Lärm oder eine sonstige Polizeiübertretung.
Ein einzelner oder mehrere, zum Beispiel Streikende, Betrunkene oder Partei-
angehörige, stören die öffentliche Ordnung. Wäre es möglich, hier immer sofort
Stillstand zu gebieten, so würde manches Unglück vermieden. Es ist kein Zweifel,
daß der Polizeibeamte sich auch diese Folgen seines Einschreitens in der Oeffent-