Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

Vom groben Unsug zum Landfriedensbruch 2c. 441 
lichkeit stets vor Augen zu halten und unnötiges und zu rücksichtsloses Eingreifen, 
welches den Betroffenen niemals beruhigt, sondern nur erbittert und die Passanten 
zur offenen Parteinahme für ihn geradezu herausfordert, unbedingt zu vermeiden hat. 
Hier ist an alles das zu denken, was in den allgemeinen Verhaltungs- 
vorschriften für den exekutiven Polizeibeamten unter den Stichworten: 
Verkehr mit dem Publikum, Höflichkeit, Anzeigeerstattung bei 
Uebertretungen ausgeführt worden ist. In einem Falle kam es zu Land- 
friedensbruchs= und Aufruhrszenen deshalb, weil bei einem Brande ein Mann durch 
die getroffenen Absperrungsmaßregeln daran verhindert wurde, in das von ihm 
bewohnte Haus zu gelangen. Er wollte unter Angabe triftiger Gründe mit Gewalt 
durch die Schutzmannsposten hindurchgehen und erwirkte durch seine Reden und sein 
sonstiges Gebahren die Parteinahme einer Zahl von Personen, die schließlich zur 
Menschenmenge wuchs. 
Die Erfahrung lehrt, wie schnell eine kleine Anzahl von Menschen durch 
Zulauf von Neugierigen und Mutwilligen zur Menschenmenge wächst, welche 
eigentümlicherweise sehr schnell und bestimmt von dem Gefühle der Zusammen- 
gehörigkeit sich leiten läßt, obwohl ihre einzelnen Glieder die verschiedenste Gesinnung, 
harmlose und feindselige, hegen und vielfach die Entwicklung des ursächlichen Sach- 
verhaltes gar nicht genau kennen. Nirgend laufen in Deutschland soviel Neugierige 
und Müßiggänger zusammen, als da, wo ein uniformierter Polizeibeamter in der 
Oeffentlichkeit gegen eine oder mehrere Personen Anlaß zum Einschreiten nimmt. 
In dieser Psychologie der Menschenmasse, wenn man so sagen will, 
liegt aber gerade ihre ungemeine Gefährlichkeit und Unberechenbarkeit. 
Aus der Polizeiübertretung fließen nun unter solchen Umständen leicht eine ganze 
Reihe verschiedener Straftaten, vor allem Beleidigung und wörtlicher oder tät- 
licher Widerstand gegen Beamte, Nötigung, Bedrohung, Körper- 
verletzung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch usw. Werden dann 
einzelne bestimmte solcher Straftaten von mehreren aus der Menge mit vereinten 
Kräften verübt oder zu verüben versucht, wozu sich leicht Anlaß bietet, so liegen 
auch schon Landfriedensbruch und Aufruhr vor. 
Einen Uebergang von der Polizeiübertretung zu den schwereren 
Delikten bildet vielfach der Auflauf (§ 116 des Reichsstrafgesetzbuches). Wird 
nämlich eine auf öffentlichen, das heißt dem Publikum zur Benutzung 
freigegebenen Wegen, Straßen oder Plätzen versammelte Menschen- 
menge, welche einen ordnungswidrigen Charakter noch gar nicht 
zu tragen braucht, von dem zuständigen Beamten oder Befehlshaber der 
bewaffneten Macht ausgefordert, sich zu entfernen, so wird jeder der Versammelten, 
welcher nach der dritten Aufforderung sich nicht entfernt, wegen Auflaufs mit 
Gefängnis bis zu 3 Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark bestraft. 
Diejenigen dagegen, welche bei einem Auflaufe gegen die Beamten oder die bewaffnete 
Macht mit vereinten Kräften tätlichen Widerstand geleistet oder Gewalt 
verübt haben, treffen die Strafen des noch zu erwähnenden Aufruhrs. Unter einer
	        
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