Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

442 II. Der exekutive Polizeibeamte. 
Menschenmenge versteht das Gesetz durchaus nicht nur eine ungezählte 
Menge von Menschen. Es entscheidet sich vielmehr nach Ort, Zeit und Um- 
ständen des Falles, ob eine größere Personenzahl als Menschenmenge anzu- 
sehen ist. Es braucht weiter der einzelne die drei Aufforderungen des Beamten oder 
Befehlshabers nicht selbst mit angehört zu haben; es genügt, daß er auf irgend welche 
Weise von ihnen Kenntnis erhält. Um jede Ausrede eines Beschuldigten abzuschneiden, 
hat der Polizeibeamte bei jeder Aufforderung anzugeben, zum wievielten Male er sie 
crläßt (zum ersten, zum zweiten, zum dritten und letzten Male!). Strafbar 
macht sich jeder, der mit Kenntnis der dritten Aufforderung vor- 
sätzlich, wenn auch zum Beispiel nur aus Neugierde, nicht dagegen 
in der Menschenmenge eingedrängt und unfreiwillig festgehalten, 
an Ort und Stelle verbleibt. 
Auch ein Auflauf wird vom Polizeibeamten in vielen Fällen dadurch beseitigt 
werden können, daß an das Publikum die ruhige und höfliche Aufforderung, 
auseinanderzugehen, gerichtet und im Falle der Erfolglosigkeit diese Aufforderung 
durch den Hinweis verstärkt wird, daß das weitere Verbleiben dem Gebote entgegen 
nach dem Reichsstrafgesetzbuche strafbar mache und den Beamten zur Anwendung 
von Gewalt berechtige und verpflichte. Zeigt auch diese Warnung nicht die genügende 
Wirkung, so ist das Publikum fort= bezw. zurückzudrängen. Der einzelne ist am 
Arme zu fassen, aus der Menge herauszuziehen, ein Stück fortzuführen und weg- 
zuweisen. Falls auch dann die Menge an Ort und Stelle verharrt, sind die drei 
Aufforderungen mit lauter Stimme und unter Einhaltung von Pausen, welche zum 
Auseinandergehen benutzt werden können, an die Menge zu richten. Die dann noch 
ungehorsamen Individuen sind zu notieren bezw., insbesondere die Rädelsführer, zu 
sistieren und zur Anzeige zu bringen. Bezüglich des Waffengebrauchs gegen tät- 
lichen Widerstand sind die Instruktionen zu befolgen. 
Wenn sich ferner eine Menschenmenge öffentlich, das heißt hier nicht 
nur mit Rücksicht auf die Oeffentlichkeit des Ortes, sondern mit 
Rücksicht auf die Möglichkeit der Beteiligung von beliebig vielen 
Personen, zusammenrottet, also räumlich zusammenhält und zu- 
sammenwirkt, und mit vereinten Kräften gegen Personen oder 
bewegliche und unbewegliche Sachen von körperlicher Kraft erheb- 
lichen und feindseligen Gebrauch macht, so wird jeder, welcher an 
dieser Zusammenrottung teil nimmt, wegen Landfriedensbruchs mit 
Gefängnis nicht unter 3 Monaten bestrast. (§ 125 des Reichsstrafgesetzbuchs.) 
Schon die bloße aus irgend welchem, vielleicht harmlosem Grunde 
betätigte Teilnahme an der Zusammenrottung macht strafbar, wenn sie vor- 
sätzlich und in dem der ganzen Menge gemeinschaftlichen Bewußtsein 
erfolgt, daß es zu Gewalttätigkeiten kommen könne oder kommen 
werde, und auch tatsächlich von einzelnen aus der Menge Gewalt- 
tätigkeiten verübt werden. Einer Beteiligung an den Gewalttätig- 
keiten selbst hingegen bedarf es zur Erfüllung des Tatbestandes an und für
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.