Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

Bekämpfung des Winkelschankes. — Polizeiliches Einschreiten bei Mietsstreitigkeiten. 455 
Als entehrend wird eine solche Bestrafung nicht empfunden, da nach dem Gesetze 
in erster Linie immer auf Geldstrafe und nur in dem Falle von ihrer Uneinbringlichkeit 
auf Haftstrafe zu erkennen ist. Die ersten Geldstrafen sind meist nicht hoch und 
werden — durch Fortsetzung des Winkelschankes wieder eingebracht. Die Justiz- 
behörden gestunden dann wohl auch noch die Geldstrafen, auf ein Gnadengesuch 
werden sie, wenn sie zu hoch gegriffen sind, manchmal auch herabgesetzt. Der 
Händler versucht nun den Betrieb heimlicher und raffinierter einzurichten, wird 
gegenüber dem Polizeibeamten vorsichtiger, verlogener und öfter recht dreist und 
brutal. So kann man sagen, daß der Winkelschank auch den Charakter 
verdirbt. Verleitung und Anstiftung zum Meineide sind die Folgen von ver- 
botenem Schanke gewesen. Wissentlich unwahre uneidliche Zeugenaussagen gegenüber 
den Polizeibeamten sind an der Tagesordnung. 
6. Polizeiliches Einschreiten bei Mietsstreitigkeiten. 
Privatrechtliche und öffentlich rechtliche Bedeutung des Mietvertrages. 
Das Rechtsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter ist im allgemeinen kein 
öffentlich-rechtliches, sondern ein privates, nach den Vorschriften des Bürgerlichen 
Gesetzbuches (88 535—580) zu beurteilendes. Gleichwohl steht die moderne Ver- 
waltungspolitik im Begriffe, diesem Rechtsverhältnisse auch eine öffentlich-rechtliche 
Seite zu geben. Insbesondere laufen die sogenannten Wohnungsordnungen 
der einzelnen Gemeinden darauf hinaus, aus Gründen der öffentlichen Sicherheit 
und Ordnung an die Mietswohnungen gewisse Anforderungen zu stellen; gleiche 
Tendenz haben auch schon die Vorschriften über das Schlafstellenwesen 
verfolgt. Die Verwaltungspolitik unterstützt hierbei aus öffentlich-rechtlichen Gründen 
den Mieter insbesondere in dem ihm schon vom Buürgerlichen Gesetzbuche selbst 
(§544) gewährleisteten Rechte, das Mietsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungs- 
frist aufkündigen zu dürfen, falls eine Wohnung oder ein anderer zum Aufenthalte 
von Menschen bestimmter Raum so beschaffen ist, daß die Benutzung mit einer er- 
heblichen Gefährdung der Gesundheit verbunden ist. Auch die sogenannten Lokal- 
bauordnungen haben in verschiedenen Punkten für den Mietvertrag öffentlich- 
rechtliche Bedeutung. 
Aus Gründen dieser verschiedenen genannten Vorschriften, welche in der Haupt- 
sache einen polizeilichen Charakter tragen, können also die zuständigen Polizeibehörden, 
vor allem die Bau= und Wohlfahrtspolizei, Anlaß finden, in das Verhältnis 
zwischen Mieter und Vermieter einzugreifen. In der Hauptsache läuft diese Tätigkeit 
auf den Schutz des Mieters hinaus. 
Im übrigen aber waltet der privatrechtliche Charakter des Mietvertrages vor, 
dessen Beurteilung dem Bürgerlichen Gesetzbuche und den Gerichten unterliegt. Die 
Polizei ist auch nicht, wie das z. B. bei dem ebenfalls privatrechtlichen Vertrage 
zwischen Dienstherrschaft und Gesinde aus Zweckmäßigkeitsgründen in den einschlagenden
	        
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