Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

Polizeiliches Einschreiten bei Mietsstreitigkeiten. 461 
Endlich sollen nach 8 812 der Zivilprozeßordnung Gegenstände, welche zum 
gewöhnlichen Hausrat gehören und im Haushalte des Schuldners gebraucht werden, 
nicht gepfändet werden, wenn ohne weiteres ersichtlich ist, daß durch deren Ver- 
wertung nur ein Erlös erzielt werden würde, welcher zu dem Werte außer allem 
Verhältnisse steht. Der Vermieter aber wird solche Gegenstände, wenn er an ihnen 
gerade einen Liebhaberwert hätte, zurückbehalten können. 
Berechtigte Selbsthilse des Vermieters. 
Endlich ist wichtig, daß nach § 561 des B. G. Bs. der Vermieter die Ent- 
fernung der seinem Pfandrechte unterliegenden Sachen, soweit er ihr zu wider- 
sprechen berechtigt ist, auch ohne Anrufen des Gerichts verhindern und, wenn 
der Mieter auszieht, die Sachen in seinen Besitz nehmen kann. Mit anderen Worten: 
der Vermieter kann mit Gewalt verhindern, daß solche Sachen fortgebracht werden, 
und kann sie, falls der Micter auszieht, mit Gewalt in seinen Besitz bringen. 
Handelt der Vermieter in Ausübung solchen Rechtes, so macht er sich also eines 
Hausfriedensbruchs und einer Nötigung nicht schuldig. Selbstverständlich hat auch 
hier der erste Absatz von § 230 des B.G.Bsl. seine Geltung, daß die Selbsthilfe nicht 
weitergehen darf, als zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist. Anwendung un- 
verhältnismäßiger Gewalt ist also nicht gestattet. 
Verhalten des Polizeibeamten. 
Der Polizeibeamte wird sich nun, soweit er nicht andere spezielle 
Vorschriften seiner Dienstbehörde erhalten hat, in dergleichen Fällen 
zweckmäßig in folgender Weise zu verhalten haben. 
Entsteht beim Auszuge des Mieters zwischen diesem und dem Vermieter bezw. 
dessen Vertreter eine wörtliche Auseinandersetzung darüber, welche Gegenstände 
entbehrlich und deshalb zurückzulassen und welche unentbehrlich und daher nicht 
pfändbar seien, so hat der Beamte jedenfalls auf Aufrechterhaltung der Ruhe und 
Ordnung zu sehen, bezw. solche herzustellen, soweit sie gestört worden sind. Wird 
er angerufen, die Entbehrlichkeit bezw. Unentbehrlichkeit zu bestimmen, so hat er 
solche Entscheidung als zur Zuständigkeit der Gerichte gehörig abzulehnen. Er kann 
aber den Mieter auf die einschlagenden Bestimmungen des Strafgesetzbuches und des 
Bürgerlichen Gesetzbuches aufmerksam machen, was oft zur Beruhigung der Gemüter 
beitragen wird. 
Artet der Wortstreit zwischen Mieter und Vermieter in Tätlichkeiten aus, 
sofern der Vermieter von seinem Rechte der Selbsthilfe Gebrauch macht und mit 
Gewalt die Wegschaffung der Mobilien des Mieters hindert oder sie mit Gewalt 
in Besitz nimmt, so hat der Polizeibeamte ebenfalls dafür zu sorgen, daß die öffent- 
liche Ordnung und Ruhe nicht verletzt werden. Im übrigen wird er ebenfalls weder 
den Streit zu entscheiden, noch eine der beiden Parteien zu unterstützen haben. 
Nach §8§ 560, 561 Abs. 2 des B. G. Bs. geht das Pfandrecht des Vermieters durch 
Wegschaffung der Sachen nicht unter; der Vermieter ist sofort in der Lage, es 
gesetzlich geltend zu machen. Ein Zustand ernstlicher Gefahr für den Vermieter,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.