480 II. Der exekutive Polizeibeamte.
vorschriftsmäßig angezeigt gelten soll (ausdrücklich: Preußen, Handbuch, Band 2,
Seite 67, § 1). (Er muß also auch eine richtig gehende Uhr bei sich führen.)
Er muß weiter genau die Fälle im Kopfe haben, in welchen er die Auflösung der
Versammlung zu erklären hat. In der Fassung dieser Entschließungen liegen die
Schwierigkeit und Verantwortlichkeit der überwachenden Tätigkeit.
Gründe zur Auflösung von Versammlungen.
Die verschiedenen Vereinsgesetze normieren die Gründe, aus welchen eine Ver-
sammlung aufgelöst werden soll, verschieden. In Preußen (Handbuch, Band 2,
Seite 68, § 5) ist die Auflösung einer Versammlung zulässig, 1. bezüglich
deren die Bescheinigung der erfolgten Anzeige (§§ 1 und 3) nicht vorgelegt werden
kann, 2. wenn in der Versammlung Anträge oder Vorschläge erörtert werden,
die eine Aufforderung oder Anreizung zu strafbaren Handlungen enthalten, oder
3. wenn in der Versammlung Bewaffnete erscheinen, die der Aufforderung des
Polizeibeamten entgegen sich nicht entfernen. In Bayern (Handbuch, Band 2,
Seite 144, Artikel 8 und 9) sind die Polizeibeamten zur Auflösung der Ver-
sammlung befugt, wenn in ihr Vorträge gehalten, Anträge oder Vorschläge erörtert
werden, mittels welcher zu Gesetzesverletzungen aufgefordert oder gereizt wird, und
der Ordner oder Leiter der Versammlung selber nicht sofort auf Verlangen des
Polizeibeamten die Versammlung aufhebt. In Sachsen (Handbuch, Band 2,
Seite 195, § 9) sind die Abgeordneten der Polizeibehörde befugt, denen, von welchen
Anträge gestellt oder Vorschläge oder Aeußerungen getan werden, welche den Straf-
gesetzen widersprechen oder eine Aufforderung oder Anreizung zu Gesetzesübertretungen
oder unsittlichen (nicht bloß geschlechtlich unsittlichen, sondern überhaupt vom Stand-
punkte der Moral aus verwerflichen) Handlungen enthalten, das Wort zu entziehen
und, wenn dem nicht unverzüglich Gehorsam geleistet wird, die Versammlung auf-
zulösen und für geschlossen zu erklären. Eben dies zu tun sind sie auch berechtigt,
wenn die Versammlung sonst einen die öffentliche Ruhe und die gesetzliche Ordnung
gefährdenden Charakter annimmt. (Preußen und Bayern haben diese letztere Be-
stimmung nicht mit in das Vereinsgesetz ausgenommen; es versteht sich aber aus
den Aufgaben der Polizei von selbst, daß auch in diesen Ländern eine Versammlung
aufzulösen ist, wenn die öffentliche Ruhe oder gesetzliche Ordnung gefährdet werden.)
Preußen gibt also als Auflösungsgrund nur die Aufforderung oder An-
reizung zu strafbaren Handlungen; Bayern die Aufforderung und Anreizung
zu Gesetzesverletzungen, welche auch Verletzungen anderer Gesetze als der
Strafgesetze sein können; Sachsen endlich geht am weitesten: Widerspruch gegen
Strafgesetze, Aufforderung oder Anreizung zu Gesetzesübertretungen oder
unsittlichen Handlungen sind Auflösungsgründe.
Es wird sich empfehlen, in dieser Frage diejenigen Polizeibeamten, welche zur
Versammlungsüberwachung kommandiert werden, einer Schulung und Prüfung zu
unterziehen. Endlich wird auch klarzustellen sein, in welchen Aeußerungen und Hand-
lungen Gesetzesverletzungen und Unsittlichkeiten zu finden sind.