lleberwachung von Versammlungen. — Der bedingte Strafausschub. 485
zu beschleunigen. Die größere Menge ist meist willig und an der ganzen Sache
(auch bei der Sozialdemokratie) gar nicht so sehr interessiert, als es aussieht.
Es sind meistens nur einzelne Widerspenstige, welche die Menge irreführen. Zeigt
sich ernstlicher Widerstand, so ist dieser nach den allgemeinen Dienstvorschriften mit
Gewalt, nötigenfalls unter Waffengebrauch, zu brechen. Ist der Versammlungsort
mit Gewalt geleert worden, so ist eine Rückkehr der Teilnehmer oder einzelner der-
selben auf keinen Fall zu dulden. Im übrigen kann solche Rückkehr in den Saal
nur verboten und verhindert werden, wenn die Annahme begründet ist, entweder die
Versammlung solle fortgesetzt werden oder die Rückkehr werde die öffentliche Sicherheit,
Ordnung und Ruhe gefährden.
9. Der bedingte Strafaufschub.
Polizeiliches Interesse.
Nachdem der bedingte Strafaufschub (Bewilligung einer sogenannten Bewährungs-
frist an gerichtlich zu Strafen verurteilte Personen) in der gerichtlichen Praxis
immer breiteren Boden gewinnt, häufen sich die Ersuchen der Staatsanwalt-
schaften und Gerichte an die Polizeibehörden um Erörterungen
über den Charakter, Leumund und die sonstigen persönlichen Ver-
hältnisse des Verurteilten (üArbeitsverhältnis, Beaufsichtigung durch die
Eltern, den Vormund, den Lehrherrn, Umgang und Verkehr), weil die Ermittelung
aller dieser Umstände für die Bewilligung einer Bewährungsfrist mit von großer
Bedeutung ist. Es ist offenbar, daß die Formulierung, welche die Polizeibehörde
oder der Polizeibeamte dem Ergebnisse der angestellten Erörterungen in seinem
Berichte gibt, von der persönlichen Auffassung des Exekutivbeamten mit abhängt.
Wird doch von den Justizbehörden in ihrem Ersuchen oft direkt die zu begutachtende
Frage gestellt, ob der Verurteilte in solchen Verhältnissen usw. lebe, welche die An-
nahme rechtfertigen, er werde künftig nicht wieder in Strafe fallen. Sovweit eine
dahingehende Antwort überhaupt nach Menschenermessen gegeben werden kann, er-
scheint es jedenfalls dringend wünschenswert, daß der erörtende Exekutivbeamte sich
über das Wesen, den Zweck und die Wirkung des bedingten Aufschubs gewisse
Klarheit verschaffe.
Entstehungsgeschichte.
Die Anfänge der sogenannten bedingten Verurteilung sind bekanntlich
in den Vereinigten Staaten von Nordamerika zu suchen. In Massachusetts wurde
das schon seit 1870 gegen jugendliche Verbrecher zur Anwendung gebrachte Proba-
tions-System im Jahre 1878 versuchsweise für die Stadt Boston, 1880 für den
ganzen Staat auch für Erwachsene ausgedehnt. Ist die Hoffnung begründet, daß
ein Angeklagter auch ohne Bestrafung sich bessern wird, so kann auf Antrag eines
von der Behörde dazu bestellten Privatmannes, des Probation Ofticer, der Gerichts-