Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

492 II. Der exekutive Polizeibeamte. 
Straftat, z. B. Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Bedrohung, Nötigung und 
dergl., zugleich eine mit den Vorkommnissen zeitlich oder sachlich zusammenfallende 
Beleidigung anzeigt, so hat ihrer der Polizeibeamte in seiner Anzeige Erwähnung 
zu tun. Wird vom Verletzten schon wegen der übrigen Straftaten (Hausfriedens- 
bruch, Sachbeschädigung) Stellung von schriftlichem Strafantrage erforderlich, so kann 
der Strafantrag wegen Beleidigung der Einfachheit halber mit aufgenommen werden. 
Die Bescheidung des Antragstellers liegt dann der Staatsanwaltschaft ob. Sonst 
ist Aufnahme eines Strafantrags nur erforderlich, wenn der Vorgang solange zurück- 
liegt, daß die Rechtzeitigkeit des Strafantrags (binnen 3 Monaten nach Kenntnis 
von der Tat und der Person des Täters, § 61 des Str.G.Bs.) gefährdet wird. 
Im folgenden soll unter Anlehnung an Theorie und Praxis der herrschenden 
Lehre eine gemeinverständliche Einführung in die Strafbestimmungen über die Be- 
leidigung versucht werden. 
Die Ehre. 
Das gemeinsame Angriffsobjekt aller Beleidigungen ist die 
Ehre. Wir fassen ihren Begriff in dreierlei Gestalt. Jedem von uns ist als 
einem freien geistigen Wesen eine allgemeine menschliche Würde, das Recht der 
Persönlichkeit, angeboren; insofern spricht man von einer allgemeinen Menschen- 
ehre. Zu dieser tritt noch eine allgemeine bürgerliche Ehre hinzu, welche 
jedes Individuum als Mitglied der im Staate geordneten bürgerlichen Gesellschaft 
besitzt. Beide Würden sind dem Menschen angeboren und erlöschen mit seinem 
Tode. Sie sind ein persönliches Rechtsgut, das der Tote nicht mehr besitzt. Die 
Ehre, die der Verstorbene im Leben hatte, wird nach seinem Tode als sein An- 
denken innerhalb enger Grenzen geschützt. Die Menschenehre und die allgemeine 
bürgerliche Ehre sind für das Individuum bei Lebzeiten unverzichtbar und nicht 
völlig verlierbar, auch dann nicht, wenn ihm das Bewußtsein davon und die 
Empfindung für sie fehlen. Daher können das unverständige Kind, der Geistes- 
kranke und der Verbrecher beleidigt werden. Der zum Tode Verurteilte kann bis 
zur Hinrichtung beleidigt, sein Andenken kann beschimpft werden. Der mit Zucht- 
hausstrafe oder mit Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte Belegte hört nicht auf, 
Mensch und Mitglied der sozialen Gesellschaft zu sein. Nur einzelne Fähigkeiten, 
welche der Staat mit der allgemeinen bürgerlichen Ehre verbunden hat, werden dem 
Verbrecher auf Lebenszeit oder vorübergehend entzogen, zum Beispiel der Genuß 
der Freiheit und die Ausübung gewisser staatsbürgerlicher Rechte. Sofern endlich 
die Handlungen eines Menschen vielfach durch einen Beruf oder Stand, also durch 
seine besondere gesellschaftliche Stellung im Staate, bedingt und vorgeschrieben 
werden, ist noch von einer besonderen bürgerlichen Ehre zu reden. Sie 
kann angeboren sein, zum Beispiel dem adlig Geborenen; im übrigen wird sie 
erworben, zum Beispiel vom Beamten und Offizier, vom Künstler usw. In jedem 
Falle kann sie völlig verloren werden; ohne Schuld, wenn der Adlige auf den Adel 
verzichtet, oder schuldhaft, wenn der Beamte seines Amtes als unwürdig und ver-
	        
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