Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

Die Beleidigung. 503 
gegenüber dem Lehrling usw. Der Zeuge hat das Recht und die Pflicht, vor 
Gericht die reine Wahrheit zu sagen. Die Partei darf dem Zeugen die seine Glaub- 
würdigkeit beeinträchtigenden ehrenrührigen Tatsachen vorhalten, insbesondere, daß er 
die Unwahrheit gesagt habe. Wegen des Ausdruckes „Lügen“ ist bereits des näheren 
die Rede gewesen. Im Prozesse können der Gegenpartei ehrenrührige Tatsachen vor- 
gehalten werden, wenn sie im Zusammenhange mit dem Prozeßstoff stehen. Der 
Beschuldigte kann im Strafverfahren sogar wider besseres Wissen der ihm selbst bei- 
gemessenen Tat einen anderen beschuldigen, ohne sich einer strafbaren Beleidigung 
schuldig zu machen. Berechtigte Interessen sind solche, zu deren Wahrnehmung jemand 
objektiv und subiektiv befugt ist. Die berechtigten Interessen können un- 
mittelbar eigene sein; zum Beispiel der Verletzte erstattet gegen einen anderen, 
von dem er sich bestohlen glaubt, bei der zuständigen Behörde Strafanzeige oder 
zieht zu deren Vorbereitung Erkundigungen ein. Ist die Anzeige auch nicht erweislich, 
so liegt doch keine Beleidigung vor, wenn der Anzeigende in Ausübung des ihm 
als Verletzten gesetzlich zustehenden Anspruchs auf Beistand der Behörden, wenn auch 
daneben aus Rache handelt. Die berechtigten Interessen können weiter auch 
nur mittelbar eigene sein; zum Beispiel ein Gemeindeangehöriger bringt 
Beschwerden gegen die Handhabung der Ortspolizei usw. an oder jemand zeigt seinen 
Verdacht von einer gegen einen anderen verübten Straftat, sei es auch aus Schaden- 
freude, an. Endlich können berechtigterweise auch fremde Interessen wahrgenommen 
werden, wenn ein eigenes berechtigtes Interesse zur Wahrnehmung des fremden 
Interesses vorhanden ist. Nur unter dieser Voraussetzung ist beispielsweise der 
Redakteur einer Zeitung berechtigt, fremde Interessen wahrzunehmen; ein allgemeines 
Recht der Presse, jedes Vorkommnis, auch wenn es andere in ihrer Ehre verletzt, zu 
rügen, besteht nicht. Ausschließlich geschäftliche Interessen, zum Beispiel das Bestreben, 
sich einen Kunden zu erhalten, sind keine berechtigten Interessen, politische Interessen 
sind es nicht ohne weiteres. Gewerbsmäßige Auskunftsbureaus handeln in berechtigter 
Wahrnehmung fremder berechtigter Interessen, wenn sie ihren Kunden die gewünschte 
Auskunft über Leumund, Lebenswandel, Kredit usw. eines Dritten geben; ebenso 
ein Rechtsanwalt, der im Auftrage seiner Partei der Gegenpartei ehrenrührige Tat- 
sachen vorhält. Die Verteidigung von Rechten oder die Wahrnehmung berechtigter 
Interessen muß durch die betreffende Aeußerung erfolgen, die Acußerung muß 
also das Mittel sein. Es genügt nicht, daß sie bei Gelegenheit der Ver- 
teidigung oder Wahrnehmung gefallen ist. Der Täter muß ferner die Verteidigung 
eines Rechts oder die Wahrnehmung des Interesses auch gewollt haben. Hat er 
dies getan, so kommt es darauf, ob der Aeußernde etwa nur ein vermeintliches 
Recht beziehungsweise Interesse wahrnehmen wollte, oder sich an die berechtigte 
Instanz zu wenden vermeinte, nicht an, wenn er sich hierbei auch in einem Irrtum 
über Tatsachen befunden hat. Es ist dann auch gleichgültig, ob die Aeußerung 
auch wirklich geeignet war, das Interesse wahrzunehmen. 
Endlich sind straflos Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten 
gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten
	        
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