Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

XIII. Verbrechen und Vergehen wider das Leben. 141 
unberührt an Ort und Stelle verblieben war. Sonstige 
Spuren eines Ereignifses waren nirgends sichtbar. 
Da Steindler nun erklärte, neben diesem Zimmer 
liege das Wohnzimmer und hinter diesem das Schlaf- 
zimmer der Sendling, so wurde Büttler ersucht, die 
Verbindungstür nach dem Wohnzimmer, die ebenfalls 
verschlossen war, zu öffnen. Hier stellte sich eine 
Schwierigkeit ein, weil in dem Schlüsselloch innen 
der Schlüssel steckte und Büttler Werkzeuge zum 
Umdrehen desselben von außen, um ihn aus dem 
Schlüsselloch zu stoßen, nicht bei sich hatte. Die 
Wohnstubentür wurde deshalb ebenfalls vom Vorsaale 
aus geöffnet, auch hier war das Schloß doppelt 
verschlossen. 
Im Wohnzimmer zeigte sich auf den ersten 
Blick keine Unordnung. In ihm stand ein Sekretär, 
in welchem die Sendling vermutlich ihre Wertsachen 
aufbewahrte. Der Sekretär war ebenfalls ver- 
schlossen. Bei genauer Besichtigung des Zimmers, 
insbesondere des Fußboden zeigte sich auf dem 
Teppiche anscheinend von Stiefelsohlen abgetretener 
Lehmkot. Eine Stiefelspur war aber auf dem Teppich 
nicht zu sehen. In der Nähe des Sekretärs wurde 
der beifolgende Knopf, zweifellos von einer Männer- 
hose herrührend und mit der Inschrift „J. Haase, 
München“ gefunden. Wie die in den Knopflöchern 
befindlichen schwarzen Zwirnsfäden ergaben, war der 
Knopf offenbar abgeplatzt. Der Augenschein zeigte 
unter der Lupe, daß der Zwirn in seinen einzelnen 
Fäden noch glänzend war, also jedenfalls vor nicht 
zu langer Zeit angenäht sein mußte. Steindler 
erklärte, er könne sich nicht erklären, wie mit rechten 
Dingen der Knopf in die Wohnung der Sendling komme, 
zu der nach seinen Beobachtungen nie jemand, am 
allerwenigsten eine Mannesperson gekommen sei. 
Nunmehr ließ ich die Verbindungstür vom 
Wohnzimmer nach dem Schlafzimmer öffnen. In 
diesem wurde im Bette eine alte Frauensperson mit 
weißen Haaren, die Steindler als die Sendling 
bezeichnete, tot, die Beine lang ausgestreckt, die 
Arme halb gekrümmt, mit dem Gesicht nach der 
Wand zu sehend und mit eingeschlagenem Schädel,
	        
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