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Formularbuch.
Oltober 1904 sei Arndt auf einmal verschwunden
und habe nichts wieder von sich hören lassen. Kurz
vorher — Anfang September — sei, wie sie auch
dem Arndt gesagt habe, ihre Regel weggeblieben,
ihr Leib sei stärker geworden, und sie habe gefürchtet,
daß sie schwanger sei. Sie habe nun gehört gehabt,
daß man die Leibesfrucht mit Bitterklee in Rotwein
gekocht abtreiben könne, und habe sich, weil sie sich
vor ihren Eltern gefürchtet habe, entschlossen, sich
auf diese Weise zu helfen. Vor den Weihnachts-
feiertagen habe sie sich bei dem Kaufmann Friedrich
Wessel hier, Petersstraße 19, eine Flasche Rot-
wein und in der Engel-Apotheke ebenda Bitterklee
gekauft, habe beides zusammen in der Küche ihrer
Eltern gekocht, Flasche und Topf in ihrem in ihrer
Schlafkammer slehenden Kleiderschrank versteckt, wo
sie mit den Resten jetzt noch ständen, und jeden
Abend etwas getrunken. Ihre Mutter sei kränklich
und habe nichts davon gemerkt. Ihr Vater sei
wenig zu Hause. Am 2. Weihnachtsfeiertage mittags
habe sie noch einmal eine Portion des Getränkes
zu sich genommen und sei dann mit Wissen ihrer
Eltern nach Taucha zu ihrer dort am Markt 7 pt.
wohnhaften Tante Martha verw. Henning ge-
fahren. Ihren Eltern habe sie weiß gemacht, in
der Fabrik von Maletzki werde wegen mangelnder
Aufträge die Arbeit erst am 7. Januar — nach
Hohenneujahr — wieder ausgenommen. Ihre Eltern
hätten das geglaubt.
In Taucha sei ihr gleich in der Nacht vom
2. zum 3. Weihnachtsfeiertage sehr übel geworden,
sie habe fortwährend das Bedürfnis gehabt, Wasser
zu lassen, und habe sich in der Nacht wiederholt
nach dem Abort begeben müssen. Beim dritten Male
habe sie bemerkt, daß etwas Festes aus ihrer Scheide
hindurch in die Abortröhre gefallen sei; es sei ihr
einige Augenblicke ganz schwarz vor den Augen
gewesen, so daß sie nicht gleich habe nachsehen
können, was abgegangen sei. Als sie dann nach-
gesehen, habe sie nichts besonderes entdecken können,
aber wohl bemerkt, daß aus ihrer Scheide Blut
gekommen und ihre Regel wieder da gewesen sei.