Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

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Formularbuch. 
und Dezember vor. Is. einen stärkeren Leib gehabt 
habe als jetzt. Darauf habe sie aber nichts gegeben. 
Ihre Tochter sei ein ganz verschrobenes Ding. Da 
sie keinen Busen habe, stopfe sie sich, wie sie wieder- 
holt bemerkt habe, die Brust mit Strümpfen und 
Taschentüchern aus. Vielleicht habe sie sich eben- 
falls Tücher unter die Röcke gestopft, um nicht so 
mager auszusehen. Ihre Tochter verderbe sich durch 
Lesen alberner Romane und von Gerichtsverhand- 
lungen. So habe sie z. B. die Verhandlungen über 
den Strafprozeß gegen die Gräfin Kuilecka in Berlin 
haarklein im Kopfe gehabt und erzählt, daß die 
Gräfin sich einen künstlichen Unterleib habe machen 
lassen, um den Anschein zu erwecken, als sei sie in 
anderen Umständen. Sie traue ihrer Tochter zu, 
daß sie es der Gräfin nachgemacht habe. 
In direktoriellem Auftrage begab ich mich nach 
Taucha, konnte aber weder von der Tante der 
Brandt, der verw. Henning, noch von dem Haus- 
besitzer, dem Materialwarenhändler Ferdinand 
Köhler, der im Hause Markt 7, I selbst wohnt, 
noch von anderen Hausbewohnern etwas erfahren. 
Der Henning will an der Brandt gar nichts, weder 
bei ihrer Ankunft am 26. Dezember noch am andern 
Tage aufgefallen sein. Sie könne sich auch nicht 
besinnen, daß die Brandt am andern Tage unwohl 
und im Bette gelegen habe. Die Henning ist aber 
eine sehr altersschwache Frau von 75 Jahren und 
könnte das leicht vergessen haben. Bei einer Rück- 
sprache mit dem Hausbesitzer Köhler ergab sich, daß 
er bereit war, sofort die Grube räumen zu lassen, 
weil sie sowieso in den nächsten Tagen geräumt 
werden müßte. 
Die hierauf in meiner Gegenwart von den 
Arbeitern Eduard Lenz und Hugo Brückner 
vorgenommene Näumung der Grube ergab aber 
nicht den geringsten Nachweis dafür, daß eine Frucht 
in die Grube gefallen ist. Da der Abort im 
Parterre, fast unmittelbar über der Grube sich be- 
findet, hat die Frucht in die Grube fallen müssen. 
Sie hätte wohl auch, da sie doch nach der Angabe 
der Brandt immerhin mehrere Monate alt war, und
	        
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